Sieht man von Heiligenfiguren ab, ist es gar nicht so leicht in Graz Frauenskulpturen zu finden. An sehr prominenter Stelle gibt es zumindest zwei Allegorien in weiblicher Hand: die Kunst und die Wissenschaft.
Sie zieren die Fassade des Rathauses. Die Quote ist mit 2:2 perfekt. Die Männer verkörpern das Gewerbe und den Handel. Auch im Rathausinneren schaut es ziemlich gut aus mit der Gleichberechtigung. Von den 48 Gemeinderätinnen und -räten sind 23 weiblich und 25 männlich, sofern man das heute überhaupt noch so zuordnen darf. In der Stadtregierung steht es zwar 3 zu 4, aber von der Bedeutsamkeit der Funktionen hat die Weiblichkeit die Nase vorn.
Die quotengerechten Statuen an der Rathausfront haben eine ziemlich abenteuerliche Geschichte hinter sich. Sie wurden Opfer eines Bildersturms. Das erste Rathausgebäude am Hauptplatz entstand 1550 im Stil der Renaissance, 1803 wurde es abgerissen und durch einen klassizistischen Neubau ersetzt. 90 Jahre später gab es eine weitere Ausbaustufe, bei der die Fassade reich mit Nischenfiguren historischer Persönlichkeiten verziert wurde, 1920 folgte eine Fassadenvereinfachung. 1957 hat der Gemeinderat dann beschlossen, die „zerbröckelnden“ Figuren entfernen zu lassen. Auch die Allegorien, die wir heute sehen, hat dieses Schicksal ereilt. Lange glaubte man, dass die Figuren verschwunden wären, doch die bittere Gewissheit ist, dass sie zerstört wurden. Seit 2006 stehen alle vier Allegorien als Nachbildungen wieder auf ihrem Platz, die 12 Nischen bleiben leer. Davor hatten die Grazerinnen und Grazer bereits 1966 ein Machtwort gesprochen: Bei einer Volksbefragung waren 83 Prozent für die Beibehaltung der Fassade und damit gegen eine Umgestaltung, für die die Pläne bereits vorlagen.
Sucht man in Graz nach weiblicher Skulpturen-Prominenz, wird man nicht so leicht fündig. Der Stadtpark ist eine klare Nullnummer. Dort versammeln sich ausschließlich Herren. Den Damen bleiben einige wenige Allegorien und die Brunnenfiguren. Im Zwischenhof der Burg gleich hinter der Doppelwendeltreppe ein kleiner Lichtblick: In der steirischen Ehrengalerie stehen 2 Frauen inmitten 10-facher männlicher Überlegenheit. Auch ihre Geschichte ist abenteuerlich. Sie wurden erst in den 1990-er Jahren aufgestellt, mehr als 30 Jahre nach der Eröffnung. Dazwischen: viele Initiativen und kreative Protestaktionen. Eine Wahl der Kleinen Zeitung fiel auf die Heimatdichterin Paula Grogger und auf Anna Plochl, die Frau Erzherzog Johanns. Sie 15, er 37, sie eine Postmeisterstochter, er der Bruder des Kaisers, der die Heirat verhindern will. So werden Liebesgeschichten geschrieben. Anna hat als Gräfin von Meran nach dem erzherzöglichen Tod sein Engagement in der Steiermark noch viele Jahre fortgesetzt. Die Publikumswahl soll nicht ganz den Geschmack der Fachleute getroffen haben, die Politik hat entschieden.
Es gibt so viele interessante Frauen in der Steiermark auch ohne skulpturelle Präsenz. Ich habe in meinem Bücherfundus unter anderem „Die Lebensbilder steirischer Frauen“. Darin werden 27 Frauenschicksale aller Gesellschaftsschichten erzählt, die zwischen 1650 und 1850 lebten. Und anlässlich des Weltfrauentages diese Woche am 8. März war ich in der Ausstellung Ladies and Gentlemen in der Neuen Galerie. Eine Nachfolgeausstellung von Ladies first. Die grandiose Vorgängerversion gab anhand von 60 Künstlerinnen einen Überblick über das weibliche Kunstschaffen der Steiermark von 1850-1950 und war gleich zweimal in eine Blog-Geschichte verwickelt (Namensgewirr, Pfingstrosen). Die Fortsetzung bis zur Gegenwart erfolgt neben heimischen auch mit internationalen Vertreterinnen. Das schaut ganz nach einer weiteren Blog-Idee aus …
Artikel über die Rathaus-Figuren u. a. in der Bürger:inneninformation vom Mai 2020 (BIG) * Interessantes über die Ehrengalerie http://offsite.kulturserver-graz.at/werke/1317 * Lebensbilder Steirischer Frauen 1650-1850, Hammer-Luza, Schöggl-Ernst, Leykam 2017 * Empfehlenswert: Ladies and Gentlemen in der Neuen Galerie, Di-So 10-18