Im Stadtpark in der Nähe des Brunnendenkmals Goldwasser sitzt eine bronzene Frauengestalt. Ihre Geschichte bleibt großteils im Verborgenen. Kein Wunder, dass sie ein wenig traurig schaut.
Wann sich die junge Frau zwischen Jahngasse und Maria-Theresien-Allee inmitten der Steinquaderbänke niedergelassen hat, ist zumindest übers Internet nicht herauszufinden. Vielleicht 2005. Sie ist nämlich Teil des Wasserobjekts von Fedo Ertl. Wenn auch Kunst gemobbt werden kann, dann trifft das hier zu. Dabei hat alles gut angefangen. Bei einer Ausschreibung der Stadtwerke (heute Energie) Graz 1985 für ein Wasserdenkmal in der Körösistraße, gefiel auch das drittgereihte Projekt: ein vergoldeter Betonquader mit einer kleinen Austrittsöffnung in der Mitte als Sinnbild für die Kostbarkeit des Wassers und unser aller Verantwortung dafür. Dazu ein Edelstahlstreifen am Boden mit den jährlichen Qualitätswerten des Trinkwassers.
Die mühsame Standortsuche endete 1991 im Stadtpark. Danach folgte erst der wahre Hindernislauf: der Auftraggeber hielt das Gravieren der Wasserwerte für undurchführbar, die Bauarbeiten wurden durch Auflagen blockiert, die Vergoldung wurde abgeblasen, ein Mistkübel neben das Denkmal platziert, die Wasserzufuhr streikte. Der inzwischen verstorbene Künstler intervenierte alle paar Jahre, um sein Denkmal doch noch zu retten - mit mäßigem Erfolg: Heute gibt es nach wie vor keine Vergoldung, jedoch die weibliche Bronzefigur als Ergänzung, die Gravur mit den Wasserwerten ist seit 2000 realisiert. So ergibt sich ein ungewöhnliches Entstehungsdatum: 1992 – 2005. Die ernste Wächterin steht am Ende einer traurigen Geschichte vor einem verwahrlosten großen Betonquader. Wenn der Quader wie geplant vergoldet worden wäre, hätte man die Idee sicher von Anfang an verstanden.
Wie viel besser als dem meditierenden Mädchen im Stadtpark geht es da dem lesenden Mädchen auf meinem Balkon. So vertieft in sein Buch, erfreut es mich jeden Tag. Aufgelesen habe ich es auf einer Fahrt in die Schweiz bei einem Zwischenstopp in Bad Wörishofen, wo Pfarrer Kneipp gelebt und gewirkt hat. Er ist dort so präsent, dass man gar nicht bemerkt, dass das vor 150 Jahren gewesen ist. Das lesende Mädchen saß inmitten anderer Bronzefiguren auf einer kleinen Bank. So unwiderstehlich nett, dass ich nicht daran vorbeigehen konnte.
Dann hat es ein ganzes Jahr gedauert, bis ich den passenden Sessel gefunden habe. Und zwar beim Blumengeschäft in der Jahngasse, also in Sichtweite des Stadtparkmädchens. Ein paar Mal bin ich vorbeigeschlendert bis ich endlich gefragt habe, ob sie mir so einen alten verwitterten Klappsessel verkaufen. Lesende Frauen gibt es auch sonst in meiner Nähe – als Bilder an der Wand, als Kalender, als lesende Frauen in Malerei und Fotografie im Buch „Frauen, die lesen, sind gefährlich“. In „Frauen und Bücher“ wird die Geschichte des weiblichen Lesens erzählt. Sie begann erst vor 300 Jahren. Bei der Wahl zwischen Meditieren und Lesen, habe ich eine eindeutige Präferenz …
Das Brunnendenkmal Goldwasser in der Blog-Geschichte Grazer Trinkbrunnen * Arbeiten von Fedo Ertl: www.fenz.mur.at/fedo-ertl-citizens * Den verwitterten Sessel hat mir Floristik Obendrauf in der Jahngasse verkauft * Frauen und Bücher, Stefan Bollmann, Deutsche Verlags-Anstalt, 2013