Das Geheimnis der roten Blätter

Sogar noch Mitte November leuchtete der Fächerahorn in der Johann-Strauß-Gasse in unglaublichen Rottönen. Gleich um die Ecke blühen üppige rote Rosen. Und indoor strahlen die Weihnachtssterne – mehrheitlich in klassischem Rot.

Die bunte Farbenpracht hat heuer besonders lange angehalten. Das liegt am wärmsten Oktober seit Beginn der Messgeschichte. Da sich die Natur am Sonnenlicht und den Temperaturen und nicht am Kalender orientiert, bleiben die Blätter einfach länger auf den Bäumen. Auf dem Fächerahorn haben sie auch jetzt Anfang Dezember nur ihr leuchtendes Rot verloren, sind aber noch alle dran. Die Johann-Strauß-Gasse ist dem Sohn der Musikerdynastie gewidmet. Das kann man auf einer Zusatztafel lesen. 2021 wurde mit solchen Erklärungsschildern begonnen, bis 2028 sollen 707 Straßen damit ausgestattet werden. Eine ziemlich gute Idee für alle Wissbegierigen. Namensgeber ist also der „Walzerkönig“. Ihm verdanken wir „An der schönen blauen Donau“ und die „Die Fledermaus“, das Standardprogramm für Silvester. Der Sohn lebte von 1825-1899, netterweise stirbt er auf der Zusatztafel ein Jahr später.

 

Die entscheidende Frage ist jedoch nicht die nach Johann Strauß, sondern nach dem Grund für die roten Blätter. Denn bekanntlich ermöglicht das grüne Chlorophyll die Photosynthese. Wie das funktioniert war schon im Vorjahr Inhalt einer herbstlichen Blog-Geschichte. Pflanzen sollten also grün sein und sich im Herbst verfärben. Nun gibt es aber den roten Ahorn ebenso wie die Blutbuche. Des Rätsels Lösung: Der Farbstoff Anthocyanin überdeckt das Grün einfach nur, es ist noch immer da. Was es dazu braucht ist jede Menge Sonne. Wozu die Blätter rot sind, bleibt allerdings ein Geheimnis. 

 

Dafür weiß man das beim Weihnachtsstern ganz genau. Normalerweise locken auffällige Blüten Insekten an, beim Star der Adventzeit sind es die oberen Blätter. Die Blüten sind nämlich völlig unscheinbar. Braucht der Ahorn Sonne für seine roten Blätter, bekommt sie der Weihnachtsstern nur, wenn es eine Zeitlang dunkel ist. Soviel zur Logik der Natur. Es heißt also im Oktober ab in die Dunkelkammer, damit er im Advent in voller Pracht in den Gärtnereien zu haben ist. Die Pflanze stammt aus Mittelamerika, wo sie ein paar Meter hoch werden kann. Bei uns gibt es sie seit etwas mehr als 100 Jahren. Das originale Rot resultiert aus dem gleichen unaussprechlichen Farbstoff wie beim Ahorn. In früheren Zeiten kamen mir nur weiße Weihnachtssterne in die Wohnung, des Stylings wegen. Mit der Altersmilde gegenüber eigenen Marotten, erfreue ich mich aber immer mehr auch am weihnachtlichen Rot. Bei 18 bis 20 Grad soll er sich am wohlsten fühlen. Das passt perfekt zur aktuellen Energiespardiskussion. Schön, dass gerade an meinem Geburtstag, dem 12. Dezember, der "Tag des Weihnachtssterns" ist. Das ist der Todestag des ersten US-Gesandten in Mexiko, der die attraktive Pflanze in seine amerikanische Heimat gebracht hat. In jeder Hinsicht ein denkwürdiger Tag …

 

 

Wer die Johann-Strauß-Gasse sucht, wird in Geidorf fündig, in der Nähe der Mur * Mehr zu den Zusatztafeln unter www.graz.at/cms/ziel/10900919/DE * Über rote Blätter von Bäumen: botanikguide.de/wie-betreiben-eigentlich-rotblaettrige-pflanzen-photosynthese * Der Gesandte Joel Roberts Poinsett starb am 12.12.1851