Eine Reise in die Vergangenheit

Der St.-Leonhard-Friedhof ist eine Ruhestätte, auf dem besonders viele prominente Persönlichkeiten begraben sind. Neben den historischen Grabmälern gibt es auch einen eigenen Bereich für Verstorbene des Vinzidorfs.

 

In früheren Zeiten waren die Gräber rund um die Leonhardkirche angelegt. Friedhof ist ja die alte Bezeichnung für den eingefriedeten Bereich um eine Kirche. Erst im November 1817 wurde der heutige Standort eröffnet. Glückliche Umstände – ja, die gibt es auch für Friedhöfe – haben dazu geführt, dass er noch immer besteht. Denn geplant war die Schließung zugunsten des Zentralfriedhofs, der Ende des 19. Jahrhunderts errichtet wurde. Die Anlage in St. Leonhard ist sogar mehrmals erweitert worden.

 

Das auffälligste und wohl auch bedeutendste Grabmal ist das Mausoleum für den Diplomaten und Orientalisten Anton Graf Prokesch von Osten. Er ließ sich seine Grabkapelle gleich vom berühmtesten Architekten seiner Zeit erbauen, von Theophil Hansen, der auch das Parlament in Wien geplant hat. Prokesch ist ein echter, kein zugereister Grazer. Geboren 1795 kommt er als junger Mann in den Militärdienst nach Wien und wird Kriegsberichterstatter bei der Marine. Er schreibt Tagebücher und legt bei Reisen durch Länder wie Griechenland, Kleinasien, Ägypten oder Syrien den Grundstein für eine ganz neue Art von wissenschaftlich fundierter Reiseliteratur. Als Diplomat ist er erfolgreicher Friedensvermittler. 1871 geht er mit höchsten Ehren bedacht in Pension und wird 1876 beigesetzt.

      

7740 Grabstätten gibt es, 63 herausragende Persönlichkeiten sind auf dem Friedhofsplan aufgelistet und sollten auch auf der Website beschrieben sein. Dort hört der Text aber bei Nummer 60 auf, bei Alexander Freiherr von Warsberg. Sein Grab ist eines der schönsten, geschmückt mit einer Majolika aus italienischer Keramik. Nur daran erkennt man es, denn es wurde neu vergeben. Warsberg war mit Prokesch von Osten befreundet. Auch er Diplomat und Schriftsteller. Durch eines seiner Bücher wurde Kaiserin Elisabeth auf ihn aufmerksam und ernannte ihn zum Reisemarschall. Der damals 50-Jährige begleitete die gleichaltrige Sisi ab 1985 auf Reisen durch Griechenland. Dass er sie bei der ersten Begegnung hässlich, alt und schlecht angezogen fand, revidierte er später. Er starb 1889.

 

Im Pfarrgebiet von St. Leonhard haben sich neben den alteingesessenen Grazer Bürgerinnen und Bürgern vorzugsweise pensionierte Militärs, hohe Beamte und Adelige aus der Habsburgermonarchie angesiedelt. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts nannte man Graz Pensionopolis. Das war durchaus wohlwollend gemeint, denn die Stadt galt als idealer Ort für einen geruhsamen Lebensabend – billiger als Wien oder Prag, perfekt verbunden durch die Semmeringbahn und attraktiv wegen der exquisiten Wohnmöglichkeiten. 

 

Auf dem St.-Leonhard-Friedhof haben auch Menschen einen Platz, in deren Lebensweg es mehr Tiefen als Höhen gibt. In den Vinzidorf-Containern finden obdachlose alkoholkranke Männer ein Zuhause. Und ein paar Meter weiter weisen schräggestellte Kreuze und von den Mitbewohnern gestaltete Grabsteine darauf hin, dass diese Menschen wohl noch im Tod etwas aus dem Rahmen fallen. Jetzt weilt auch Pfarrer Pucher unter ihnen, sein Kreuz steht gerade. Einzigartig ist die kleine Krankenstation zur Sterbebegleitung, das Vinzi-Hospiz.

 

Und nun noch ein Blick auf die einzige Prinzessin: Djanan Djavidan. Auf dem Grabstein ein Name, keine Daten. Die 1877 in Amerika geborene ungarischem Adelige heiratet mit 23 – zunächst heimlich – den letzten Vizekönig von Ägypten. Durch ihn lernt sie die arabische Welt kennen und schreibt später ein viel beachtetes Buch mit dem Titel „Harem“. Darin tritt sie energisch für die Emanzipation der Frauen in Orient ein. Nach der Trennung kehrt die Vieltalentierte 1914 nach Europa zurück und arbeitet als Schriftstellerin, Hörbuchautorin und Komponistin. Ab 1953 lebt sie in Graz und widmet sich vorrangig der Malerei. Sie wird 91 Jahre alt. 

  

Ein Spaziergang über den St.-Leonhard-Friedhof ist auch ein ästhetisches Erlebnis – schöne Grabsteine, gepflegte Gräber, jetzt im November besonders liebevoll geschmückt. Gemma ham steht auf dem Weg zum Gräberfeld des Vinzidorfs. Irgendwann sollte auch ich wissen, wo und wie ich begraben werden will. Rein virtuell gedacht, könnte ich mir meine letzte Ruhestätte in einem Kärntnerlied vorstellen, da stirbt man in der 3. Strophe sowieso. Aber immer die gleiche Melodie, das nervt vielleicht sogar Tote. Meine Eltern sind in Klagenfurt begraben. Ein vor sich hin rostender schmiedeeiserner Zaun verströmt dort seinen morbiden Charme. Die Eltern haben es mir leicht gemacht und so ziemlich alles vorweg festgelegt.

 

Ich selbst habe mich noch nicht einmal zwischen Feuer und Wurm entschieden. Aber der Leonhardfriedhof kommt jetzt einmal in die engere Wahl. So in Gesellschaft mit den bereits Genannten der Schreibzunft könnte es ganz nett sein. Dazu noch der Dichter und Philosoph Robert Hamerling, dessen Büste und eine wunderschöne Psyche den Grabstein zieren. Oder gleich daneben Sophie Scherer, ebenfalls schreibend, die sich für Altersversicherung, Kindergärten und sozial schwache Familien eingesetzt hat. Sie alle haben Bedeutendes geleistet, daran muss ich wohl noch etwas arbeiten …

 



Danke an die GrazGuides, alle Hinweise habe ich bei einer Friedhofsführung erhalten * Die Kurzbiographien der derzeit noch 60 Prominenten auf dem St.-Leonhard-Friedhof * Vielleicht möchte jemand das Vinzidorf unterstützen oder beim Spaziergang ein Kerzerl anzünden * Über Admiral Tegetthoff, der auf dem Leonhardfriedhof begraben ist, gibt es schon eine Blog-Geschichte