Das Goldene Dach(l) von Graz

Das Dorotheum und ein Hotel befinden sich seit ein paar Monaten am Jakominiplatz unter einem goldenen Dach. Eine Wendung zum Guten im Grazer Stadtbild. Gibt es vielleicht geheime Verbindungen nach Innsbruck? 


Wir drehen das Rad der Zeit 115 Jahre zurück. Es ist 1908, am Jakominiplatz wird ein nobles Bekleidungshaus errichtet. Es ist ein Neubau mit Jugendstilelementen. Es gefällt nicht allen. In den 1950iger Jahren geht das Kaufhaus in Konkurs, das Dorotheum übernimmt das Gebäude und lässt es Ende der 1960er Jahre umbauen. Eine völlig neue Fassade aus groben Betonplatten spiegelt den Zeitgeist wider. Es gefällt niemandem. Mit dem jetzigen Umbau ist es gelungen, dem Gebäude ein zeitlos elegantes Aussehen zu geben – angelehnt an die Grundstruktur des Originals, aufgelockert mit dem Gold von Fensterrahmen und Dach und einem dezenten Jugendstildekor. Es gefällt allen. Und das will in Graz etwas heißen.

 

Das Grazer Dorotheum gibt es seit 1755 als Filiale des Wiener Versatzamtes, das damals schon ein halbes Jahrhundert bestand. Mit seiner mehr als 300jährigen Geschichte ist es das älteste der großen Auktionshäuser der Welt. Der Name Dorotheum kommt übrigens daher, dass das Versatzamt bald nach der Gründung in das ehemalige Dorotheerkloster einzog. An dessen Stelle entstand später das Palais Dorotheum und nach dem Ende der Monarchie wurde der Name offiziell. 

 

Da heutzutage fast alle Auktionen online stattfinden, brauchte das Dorotheum in Graz weit weniger Platz als zuvor. Ein Glück für eine deutsche Hotelkette, die das Motel One im Sommer 2022 mit 160 Zimmern unter dem goldenen Dach eröffnen konnte. Ein Blick ins Innere lohnt sich. Die Grazer Künstlerin Carola Deutsch, bekannt für großflächige Projekte, Streetart und ihre Tätowierkunst, hat die farbenfrohe Ausstattung in der Lounge und in den Zimmern geschaffen. Selbst der Liftschacht hat einen Farbregen erhalten. Mit Kaffee oder einem Cocktail könnte man den Blickkontakt verlängern, um auch den Design-Leuchten und -Sesseln ein bisschen Aufmerksamkeit zu gönnen. Wer den Besuch im Hotel scheut, was schade wäre, kann sich hier das Video über die künstlerische Arbeit von Carola Deutsch ansehen. Das Motel One hat moderate Preise, die nur zu Zeiten besonderer Veranstaltungen angehoben werden. Meine persönlichen Erfahrungen in Wien sind jedenfalls sehr gut, vor allem Betten und Pölster sind hervorragend und deutsche Qualitätsware, wie man der Homepage entnehmen kann. Dass in Innsbruck gerade ein weiteres Hotel eröffnet worden ist, passt gut in diese Geschichte.

 

Das zugegeben bekanntere Goldene Dachl in der Tiroler Landeshauptstadt hat ein späterer Kaiser errichten lassen. Es war Maximilian I., der um 1500 den Prunkerker mit den vergoldeten Schindeln anbringen ließ. Dieser Maximilian war in seiner Jugend immer wieder in Graz. Sein Vater, Kaiser Friedrich III., hatte die Grazer Burg bauen lassen. Die Geschichte von Maximilians Schwester Kunigunde kennt jedes Grazer Schulkind. Sie wurde auf dem Schloßberg vor einer Entführung gerettet. Über sie und den Steinernen Hund gibt es eine eigene Blog-Geschichte. Maximilian hat auch Bücher geschrieben. Sein Theuerdank, ein poetisches Epos über die Brautreise zu Maria von Burgund gehört zu den besonderen Schätzen des Stiftes Rein. Es gibt sie also, die Verbindungen nach Innsbruck, wenn sie auch nicht ganz so geheim sind.

 

Wie das Gasthaus „Unterm Goldenen Dachl“ in der Schießstattgasse zu seinem Namen kam, ist allerdings nicht überliefert. Fest steht: das Haus gab es schon im 19. Jahrhundert, den Namen gibt es seit 1937. 

 

Ich hatte beruflich öfter in Innsbruck zu tun. Da blieb aber meist nur Zeit für einen Altstadtspaziergang. Erst bei einem privaten Besuch habe ich unsere Kunigunde entdeckt – 2 ½ Meter groß, ohne Hund, auf dem Foto ganz rechts. Sie ist eine von 28 Bronzefiguren rund um das leere Grab von Maximilian in der Hofkirche, das zu den kunsthistorisch wertvollsten Kaisergräbern Europas zählt. Unter die 28 „Schwarzmander“, haben es immerhin 8 Frauen geschafft. Damit ist ihr Anteil genau so hoch wie in den Aufsichtsräten der börsennotierten Unternehmen in Österreich. Bloß 500 Jahre früher. Maximilian hat die Figuren selbst in Auftrag gegeben, begraben ist er in Wiener Neustadt und sein Herz in Brügge bei Maria von Burgund. 

 

Und da ist 300 Jahre später auch noch Erzherzog Johann. Der steirische Prinz ist uns nur passiert, weil er in Tirol viele Jahre Betretungsverbot hatte, ausgesprochen von seinem kaiserlichen Bruder. Aber so haben wir nicht nur viele Neuerungen und naturwissenschaftliche Sammlungen abgekriegt, sondern auch eine romantische Liebesgeschichte. Dass der beliebte Pfarrer von St. Andrä, Hermann Glettler Bischof von Innsbruck ist, deutet darauf hin, dass zwischen den beiden Landeshauptstädten vielleicht doch auch höhere Mächte im Spiel sind …

 



Die Vorgängerversionen am Jakominiplatz: www.grazwiki.at/Jakominiplatz_8 * Geschichte des Dorotheums: www.dorotheum.com unter „Über uns“ * Mehr zu Carola Deutsch auf www.carola-deutsch.at * Hotelinfos: www.motel-one.com * Die Wächterinnen am Grab Maximilians v. l. n. r.: Maria von Burgund, Elisabeth von Kärnten, Görz und Tirol und Kunigunde