Das Schicksal setzt den Hobel an und sagt der Welt ade. So steht es auf dem selbst entworfenen Grabstein des k. u. k. Hoftischlermeisters Anton Irschik. Er hat uns auch sonst einiges hinterlassen, was wir heute noch bewundern.
Das k. u. k. deutet schon darauf hin, wann der hochtalentierte Tischler seinem Handwerk nachgegangen ist, denn die kaiserliche und königliche Monarchie bestand von 1867 bis 1918. Für das riesige Reich bürgerte sich bald die Kurzfassung Österreich-Ungarn ein. Kein geringerer als Theophil Hansen entdeckte den jungen Mann, nicht beim Bau des Parlaments, das war etwas später, sondern bei jenem des Wiener Musikvereinsgebäudes. Irschik war 23 Jahre alt, als er 1869 dem Kaiser vorgestellt wurde. Nach Graz kam er ein Jahr später, die Erweiterung des Hauptbahnhofs stand an. Erhalten ist davon nichts. Sein Grabmal auf dem Grazer Zentralfriedhof zeigt die verwaiste Tischlerwerkstatt – die Hobel hängen fein säuberlich aufgereiht an der Wand, die Hobelbank ist aufgestellt, seine Frau trägt einen Witwenschleier und blickt auf seine Büste. Ein Riss geht durch die Hobelbank, die Wanduhr ist stehengeblieben. Dazu noch die etwas adaptierte letzte Zeile des Hobelliedes aus dem Verschwender von Ferdinand Raimund. Ein Bühnenbild des Todes. Bevor es an das Ende geht, das Irschik 1909 ereilte, heißt es im berühmten Lied: Das Schicksal setzt den Hobel an und hobelt alle gleich …
Eine der herausragenden Arbeiten von Anton Irschik ist das prächtige Eichenholzportal der Hofbäckerei Edegger-Tax. Den Auftrag für das Geschäft in der Hofgasse erhielt er 1896 vom damaligen Besitzer Franz Tax. Dieser durfte sich schon ab 1888 k. u. k. Hofbäcker nennen, denn dem Kaiser hatten bei einem Aufenthalt in Graz offenbar die Semmerln und Kipferln besonders gemundet. Als Draufgabe gab es das Recht das Wappen Österreich-Ungarns zu führen. Der vergoldete Doppeladler krönt auch heute noch das Portal. Die Enkelin des Auftraggebers heiratete den Kaufmann Franz Edegger, daher der Name Edegger-Tax. Sohn Erich hat mit 21 Jahren die Bäckerei übernommen. Der Radweg- und Tempo 30-Pionier war ÖVP-Politiker und Vizebürgermeister. Nach ihm ist ein Rad- und Gehweg über die Mur benannt, der Erich-Edegger-Steg. Seit 1992 ist die nächste Generation am backenden Werken.
Auch der Lesesaal der Universitätsbibliothek stammt von Anton Irschik. Im Zentrum der Weisheit stehen 150 denkmalgeschützte Arbeitstische und Sitzplätze und sehr viele Regale aus den 1890er Jahren. Um das historische Schmuckstück zu erhalten, wurde beim letzten Umbau alles abgebaut, saniert und wieder eins zu eins aufgebaut.
Oft sind es Zufälle, die der Anlass für eine Blog-Geschichte sind. Diesmal war es ein Besuch im Adler Apotheken Museum am Hauptplatz. Die Grazer Apotheken hatte ich abgehakt, es gibt dazu schon eine Geschichte. Aber siehe da, nicht nur, dass das Museum eine Fundgrube für die Entwicklung der Aufgaben und Methoden in einer Apotheke ist, die noch erhaltene Einrichtung aus Kirschholz stammt von Anton Irschik. Es gibt sogar einen gezeichneten Plan dazu. Und so rückte der kunstfertige Tischler in den Mittelpunkt des Geschehens. Der heutige Besitzer der ältesten Apotheke von Graz, Bernd Milenkovic führt selbst durch sein Museum, das neben der Einrichtung und den oft eigentümlich anmutenden Gerätschaften auch eine komplette Historie der Apotheke zeigt. Auch für Gesunde sehr empfehlenswert.
Irschiks Handwerk ist noch immer aktuell. In Graz gibt es laut WKO 147 Tischler und hoffentlich auch -innen. Mein Favorit ist „Der Hobel“. Weil der Name so gut in diese Geschichte passt und weil ich auf dem Weg in die Stadt immer daran vorbeigehe. Die Werkstatt ist in der Sackstraße 22. Schön, dass die beiden Betriebsnachfolger, ehemalige Mitarbeiter, es vor allem jungen Menschen ermöglichen, bei Führungen das Tischler-Handwerk hautnah zu erleben. Dort heißt es übrigens „ … der Tischler setzt den Hobel an …“.
Das Hobellied (Paul Hörbiger) * Hofbäckerei Edegger-Tax * Foto vom Lesesaal der Universitätsbibliothek * Adler Apotheken Museum * Blog Geschichte Apotheken