Ein Warenlager für die Gesundheit

In Graz gibt es 64 Apotheken, fast so viele wie das Apothekengesetz Paragraphen hat. Dazu kommen noch 2 ziemlich unbekannte Museen. Eines ist einem früheren Wunderheilmittel gewidmet.

 

Das Wort Apotheke entstammt dem griechischen Zeitwort für „aufbewahren“ und wurde in Folge für Warenlager verwendet. Das macht die Geschichtsforschung nicht unbedingt leichter. Im 16. Jahrhundert sind in Graz jedenfalls zwei Apotheken mit ihren Standorten dokumentiert. Und zwar die heutige Adlerapotheke am Hauptplatz, die 1535 gegründet wurde und die frühere Hirschenapotheke in der Sporgasse aus dem Jahr 1564. Letztere war über Jahrhunderte an diesem Ort, bevor sie auf Namens- und Ortswanderschaft ging und 2006 als Schloßberg-Apotheke in die Hofgasse und im Sommer 2021 als Stadtapotheke auf den Hauptplatz zog. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts kam die Landschaftsapotheke in der Sackstraße dazu. Sie wurde 1615 durch die Apothekerfamilie Fetzer gegründet, die 175 Jahre lang Inhaber war. Der erste Apotheker dieser Familie erlitt ein tragisches Schicksal, an das ein Grabstein im Kreuzgang des Franziskanerklosters erinnert. Er verlor innerhalb eines Monats seine Frau und zwei Töchter.

 

Was die Apotheker damals besonders störte waren offenbar Mitbewerber. So klagten sie die Barmherzigen Brüder in der Vorstadt, die in ihrer Spitals-Apotheke Medikamente erzeugten und unberechtigt auch öffentlich verkauften. Als dann jedoch der Antrag auf die Eröffnung einer – weiteren – Apotheke in der Vorstadt gestellt wurde, waren sich die 3 Stadtapotheken und die Barmherzigen Brüder einig und gingen gemeinsam dagegen vor. Sie waren wohl nicht erfolgreich, denn der Kaiser selbst entschied für die neue Apotheke, aus der die Mohrenapotheke am Südtirolerplatz hervorging. Dort ist im Hof das Theriak-Museum zu finden.  

 

Theriak wurde in der Antike gegen Schlangenbisse eingesetzt und dann weiterentwickelt. So kamen zu den ohnehin zahlreichen pflanzlichen Stoffen noch Dinge wie Entenblut, Vipern- und Krötenfleisch hinzu. Verfeinert mit Opium ergab das einen besonderen Cocktail, den schon Kaiser Nero einnahm, um sich vor einem Giftmord zu schützen. Die Tradition der Antike wurde in Venedig fortgesetzt, die komplizierte und experimentierfreudige Herstellung mit manchmal mehr als 300 Inhaltsstoffen strengstens überwacht. Die Pest trug das ihre zur Bekanntheit und Verbreitung bei. Es wurde zum Allheil- und Wundermittel, das sicher auch bei der Entwurmung von Pferden geholfen hätte.

 

Die Apotheken gingen auch gegen die Konkurrenz der Wasserbrenner vor, die wohlriechenden Balsame, Öle und Säfte und wohl auch Alkohol herstellten. Weitere Konkurrenten waren die Wurzenkramer, Händler, die einfache Wurzeln und Kräuter anboten. Auch die merkwürdig vereinte Zunft der Bader, Barbiere, Wundärzte und Chirurgen wurde bekämpft. Die Mitglieder durften Arzneien für die äußerliche Anwendung verkaufen, nahmen das aber offenbar nicht ganz so genau. Der Arztberuf war tatsächlich ein Handwerk. Die Lehrzeit und Prüfungen von Lehrjungen, Gesellen und Meistern war genau geregelt, es gab aber auch Chirurgen mit Universitätsstudium.

  

Im Innenhof des Graz Museums gibt es im eher versteckten Apothekenmuseum eine außergewöhnliche Sammlung an Waagen und Gewichten, Pillenbrettern, Tablettenpressen und anderen Vorrichtungen zur Herstellung von Heilmitteln. Rezepte, Apothekenschilder und alte Arzneispezialitäten ergänzen den Bestand. Beide genannten Museen sind nicht unmittelbar frei zugänglich, werden aber auf Anfrage gerne geöffnet.

 

Konkurrenz war für die Apotheken bis in unsere Zeit ein Thema. Erst 2016 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Anzahl von 5.500 Menschen pro Apotheke angepasst werden muss. Aktuell wird das im Apothekengesetz durch eine Bedarfsprüfung im Einzelfall relativiert.

 

Es wird vermutet, dass die Fälschungsquote von Medikamenten in Entwicklungsländern zwischen 10 und 30 Prozent erreicht, in hochentwickelten Ländern jedoch unter 1 Prozent liegt. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation ist Viagra das weltweit am häufigsten gefälschte Arzneimittel. In der EU stammen die meisten Fälschungen aus Indien. Bei Angeboten im Internet soll die Fälschungsquote weit jenseits der 50 Prozent liegen.

  

Da vertraue ich doch lieber unseren Apotheken, wiewohl mein Kontakt glücklicherweise ein eingeschränkter ist. Sogar bei den Tests. Ich halte mich lieber an Tees und Kräuter. Bei einem Besuch bei Sonnentor im Waldviertel konnte ich hinter die Kulissen der Herstellung biologischer Tees, Kräuter und Gewürze blicken und die Erlebnisbereiche in- und outdoor besichtigen. Seit ich weiß, dass die Gelatine in den üblichen Gummibärchen aus Tierhaut und -knochen besteht, greife ich auch zu den Biobengelchen dieser Firma. In Graz ist Sonnentor sinnigerweise dort angesiedelt, wo früher die Hirschenapotheke war. Wie gut die ehemals erbitterten Konkurrenten zusammenpassen, sieht man auch an der Adlerapotheke und dem Wurzelsepp. Die Besuche bei Haribo in Linz, wo jährlich 16.000 Tonnen Fruchtgummi & Co hergestellt werden, habe ich übrigens gestrichen …

 



Die Kulturgeschichte der Apotheken: austria-forum.org/af/Wissenssammlungen/Essays/Institutionen/Geschichte_der_Grazer_Apotheken * Besuch des Theriak-Museums * Anfragen zum Besuch des Theriak-Museums: www.mohren-apotheke.at * Apothekenmuseum: www.grazmuseum.at