Gottes Plagen

Seit der Restaurierung 2024 sieht man die Details auf dem Gottesplagenbild an der Südseite des Grazer Doms wieder besser. Sie machen die Gräuel von Türken, Pest und Heuschrecken fassbar, obwohl sie unfassbar sind.

 

Damals im Jahr 1480, als vor allem die bäuerliche Bevölkerung Schreckliches erdulden musste, war Friedrich III. seit 40 Jahren König und dann Kaiser. Er hatte die Burg und den Dom errichten lassen. Das Gemälde schuf Thomas von Villach, es zählt zu den wertvollsten Fresken der späten Gotik. Nicht der Kaiser hat es in Auftrag gegeben, sondern es wurde von den Grazer Bürgern gestiftet. Alles Unglück wurde im Mittelalter als Strafe Gotte angesehen und mit dem Bild sollte wohl weiteres Unheil abgewendet werden. Es hat drei Ebenen, oben lässt Gott seinen Zorn walten, Maria und Johannes versuchen die Menschen davor zu schützen, die Engel begrenzen den himmlischen Bereich. Den irdischen Teil prägt der Papst flankiert von Franziskus und Domenikus, den Gründern der beiden Orden, die es damals in Graz schon gab, daneben geistliche und weltliche Würdenträger und das Volk. Was darunter passiert ist an Grausamkeit kaum zu überbieten. Die Osmanen brennen Dörfer ab, verstümmeln Männer und vergewaltigen Frauen. Überdimensionale Heuschrecken verwüsten das Land und Pesttote werden in Särgen weggetragen. Dass die Türken nie in Graz waren, verdanken wir wohl unserer Festung und den Stadtmauern, doch rundherum machten mörderische Streifzüge den Bauern das Leben schwer. 

 

Wer tiefer eintauchen will in die Verzweiflung der damaligen Zeit, liest den historischen Roman von Robert Preis, der vielen als Krimiautor, Journalist und Organisator des Fine Crime Festivals ein Begriff ist. Er verwebt die Geschichte der Entstehung des Grazer Gottesplagenbildes mit einer Liebesgeschichte, sagt der Verlag. Mein Interesse wurde bei einer Lesung in der Landesbibliothek geweckt. Jetzt weiß ich, das Bild nimmt nur 10 von 546 Seiten ein. Das reicht, um bei der Enthüllung des Freskos 1485 den Kaiser ächzend auf die Knie gehen zu lassen, die Krone schief auf dem Kopf, weil er sich die Wanzen von der Kopfhaut kratzen muss. Ein Beispiel für die Erzählweise des Autors. Mein Tipp: nicht abends im Bett lesen.

 

Dass das wertvolle Bild ziemlich in Mitleidenschaft gezogen wurde, ist in guter Absicht passiert. Beim früheren Restaurieren wurden Materialien eingesetzt, die die Malschicht ablösten. Das 5.90 Meter breite Fresko hat übrigens seinen Zweck nicht erfüllt. 1486 trat die Mur über die Ufer, 3 Jahre später vernichtete ein Unwetter 80 Prozent der Ernte. Und der Kaiser: er erhöhte die Steuern, um den Krieg gegen die Ungarn weiter zu finanzieren, der auf dem Gottesplagenbild schlichtweg verheimlicht wird.

 

Das bedeutendste Fresko des Thomas von Villach ist in seiner und meiner Kärntner Heimat zu finden – in einer Kapelle in Gerlamoos im Drautal ...

 

 

Details zum Gottesplagenbild * Homepage von Robert Preis * Die Filialkirche in Gerlamoos