Alt und schön

Immer wenn heutzutage einer der vier traditionellen Antiquitäten- und Raritätenmärkte stattfindet, wird ein Stück Grazer Geschichte lebendig. Einer Geschichte, die bereits im Mittelalter begonnen hat. 

 

Tatsächlich gab es schon vor Jahrhunderten Jahrmärkte in Graz. Das Recht dazu verlieh niemand Geringerer als ein Kaiser, König oder Landesfürst. Damit verbunden waren besondere Privilegien und Schutzmaßnahmen. Bis ins 15. Jahrhundert gab es nur einen Jahrmarkt, der ja auch deshalb so hieß. Er fand rund um den 1. September statt, dem Gedenktag des heiligen Ägydius. Er ist Schutzpatron von Graz und auch von Klagenfurt – ein netter heimatlicher Zufall. Der Heilige war passenderweise Kaufmann, bevor er Einsiedler und dann Abt wurde. So ein Markt dauerte mehrere Wochen, damit sich die Teilnahme auch für fremde Händler auszahlte, deren Anreise damals wohl mehr als mühsam gewesen sein muss. Mit dem Warenhandel kamen auch das Vergnügen und der Genuss, Jahrmärkte waren beliebte Volksfeste. Antiquitäten sind anno dazumal wohl kein Thema gewesen. Später wurden aus dem einen Markt zwei, dann drei und schließlich vier: der Mitfastenmarkt vor Ostern, der Portiunkulamarkt im Sommer, der Ägidymarkt im September und der Andrämarkt im Oktober. Dieser alten Tradition folgen die heutigen Antiquitäten- und Raritätenmärkte am Mariahilferplatz. Portiunkula ist übrigens keine Heilige, es ist der Name einer Kapelle in der Nähe von Assisi, wo man immer am Jahrestag der Einweihung einen Ablass erwerben konnte. Heute steht sie unter der Kuppel einer darüber erbauten Basilika. Der Ablass galt später für alle Franziskanerkirchen. 

 

Was heute am Mariahilferplatz stattfindet, war vor ein paar Jahren ein riesiger Flohmarkt auf dem Messeparkplatz in der Fröhlichgasse. Den nunmehr exquisiten Markt dominieren Schmuck, Uhren, Porzellan, Kunst und Glas. Ab und an findet eine hübsche Mokka-Tasse den Weg zu mir nach Hause. Ich fühle mich damit in guter Gesellschaft, denn das Sammeln von Tassen war bereits im Biedermeier en vogue. Der Grund: Porzellan wurde Anfang des 19. Jahrhunderts durch Kaolinfunde in Deutschland preiswerter. Vorher hatten die Chinesen 1000 Jahre Vorsprung, ehe in Dresden 1708 europäisches Porzellan hergestellt werden konnte. Als Wertanlage sind meine Schätze ungeeignet, dazu müsste ich mehr wissen über die verschiedenen Manufakturen, die Qualität des Materials und die handwerklichen Besonderheiten. Ich finde sie einfach schön und wenn sie sich im Rudel wohler fühlen, kann ich das gut akzeptieren. Dass auf dem Hasnerplatz in meiner unmittelbaren Wohnumgebung monatlich ein kleiner Antiquitätenmarkt stattfindet und es in Graz um die 30 einschlägige Geschäfte gibt, ist dabei kein Nachteil. Eine Faustregel habe ich mir gemerkt: Wenn etwas mehr als 100 Jahre alt ist, ist es eine Antiquität. Ich bin älter als 20, das ist dann Vintage, aber hoffentlich nicht retro …