Aufsteirern im Kärntenlook

Wer in Graz an Trachten denkt, denkt an das Steirische Heimatwerk. Zumindest, wenn es dabei um überlieferte Echtheit geht. Aber auch die modische Tracht orientiert sich mehr oder weniger an ihren historischen Vorbildern.

Das Steirische Heimatwerk gibt es schon lange. 1917 organisierte Viktor Geramb, der Gründer des Volkskundemuseums eine Verkaufsstelle, um die traditionelle Kleidung zu erhalten und zu verbreiten. Seit 1934 ist dafür der Name Heimatwerk überliefert. Es war das erste in Österreich und Vorbild für alle anderen Bundesländer. Schon ein Jahrhundert vorher machte Erzherzog Johann den grau-grünen Lodenrock salonfähig. Seine romantische Liebe zur bürgerlichen Anna Plochl hat uns neben ihrer Büste mit Trachtenhut im Burghof auch ein Hochzeitsdirndl beschert.

 

Der Begriff Dirndl kommt aus dem süddeutschen Sprachraum von der „Dirn“, einer jungen Bauernmagd. Das Dirndlgwand war ihre Arbeitskleidung. Es besteht aus einem Leibl und dem Kittl, zusammengeschrieben wie genäht: Leiblkittl. Vollständig mit etwas kürzerer Schürze und weißer Bluse. Es soll in der Steiermark an die 300 Frauen- und rund 100 Männertrachten geben. Darunter ist auch ein Grazer Alltagsdirndl. Weil im Steirischen Heimatwerk maßgeschneidert wird, war gerade keines verfügbar. Daher zeigt das Foto ein anderes Modell aus der heimatwerklichen Näherei. Die blaue Farbe und die rote Paspelierung erinnern ein bisschen ans Kärntner Universaldirndl. Es ist jedoch etwas dunkler und hat weiße Tupfen und eine rote Schürze. Das Grazer Dirndl besticht durch die große Farbauswahl und wird mit Haftln geschlossen. Als es noch keine Knöpfe gab, wurden Haken und Ösen von Haftlmachern hergestellt. Sie mussten beim Biegen sehr konzentriert arbeiten, damit die kleinen Dinger auch wirklich zueinander passten.

 

In meinem Umfeld wird Tracht eher zu besonderen Anlässen getragen. Meine beiden Wahlenkelkinder hatten zum Beispiel ein entzückendes Taufkleidchen und waren gerade im Dirndl bei einer Hochzeit.  Ich selbst trage modische Trachtenblazer und das auch im Alltag. Hierzulande ist aber wohl das Aufsteirern der absolute Trachtenhit. In Kärnten haben wir dafür den 10. Oktober, den Tag der Volksabstimmung, jenes denkwürdige Ereignis, durch das Unterkärnten 1920 bei Österreich blieb. Selbst als meine Mutter schon im Rollstuhl saß, trug sie an diesem Tag ein Dirndlkleid, was auch deshalb bemerkenswert ist, weil sie aus der Oststeiermark kam. Ich hatte lange ein Ausseer Dirndl, bis die kleinen Tierchen namens Kalorien es nächtens enger nähten. Diese Tracht hat ein grünes Leinenoberteil, einen rosa Baumwollrock mit weißen Blümchen und eine gemusterte lila Schürze. Weil es nur für den Bauernbundball festlich genug ist, habe ich mir einmal ein bodenlanges Brokatdirndl von einer Kollegin ausgeliehen. Ich musste es aber kürzen. Das ging bis zum Aufgang in den Stefaniensaal gut, dann bin ich auf den Saum getreten. Zur Freude meines damaligen Partners konnte ich so nicht mehr tanzen. Wir sind aber noch immer befreundet. 

 

Wer aufgepasst hat wie ein Haftlmacher, ahnt vielleicht, dass ich den Kauf eines Grazer Alltagsdirndls in Erwägung ziehe. Aber Aufsteirern im Kärntenlook hätte auch seinen Reiz …

 

 

Steirisches Heimatwerk mit Kulturauftrag, Sporgasse 23, www.heimatwerk.steiermark.at * Logik beim Schleifenbinden der Schürze: rechts = vergeben, links = flirtbereit, zumindest war das einmal so * Man unterscheidet Alltags-, Sonntags- und Festtagstracht