Es leuchtet so schön

Sie erzählen biblische Geschichten, spielen mit abstrakten Formen oder zeigen gesellschaftliche Provokationen. Die Rede ist von bunten Kirchenfenstern und ihrer faszinierenden Leuchtkraft.

 

In der himmelwärts strebenden Architektur der gotischen Kirchen wurden die bunten Glasfenster zu Kunstwerken. Diese Blütezeit dauerte 400 Jahre, vom 12. bis ins 16. Jahrhundert. Dabei dürften die prachtvollen Fenster aus der Not heraus entstanden sein. Es konnten damals ja nur kleine Glasscheiben hergestellt werden, die Fensteröffnungen aber waren groß. So hat man die Glasstücke gefärbt oder bemalt und mit Bleiprofilen verbunden, es entstand eine neue Kunstform. Die Glasgemälde ließen nicht nur natürliches Licht ins Innere, sondern dienten auch dazu, den Menschen, die in der Regel weder lesen noch schreiben konnten, die biblische Geschichte zu erzählen. Die Fenster waren ein Bilderbuch aus Glas. Leider haben viele davon den Lauf der Zeit nicht überlebt. Jene in der Grazer Leechkirche sind eine Ausnahme. 105 bemalte Glasscheiben aus dem 14. Jahrhundert sind erhalten geblieben, unter ihnen welche mit der frühesten Darstellung der Dreifaltigkeit in unserem Kulturraum. Die Leechkirche ist einer der bedeutendsten frühgotischen Bauten in Österreich und äußerst sehenswert. 

 

Als die Gotik zu Ende ging, war damit zunächst einmal auch das Ende der farbenprächtigen Buntglasfenster besiegelt. In der Renaissance und im Barock sollte farbloses Glas möglichst viel Licht in die Kirchen lassen. 

 

Doch es ging wieder aufwärts mit den bunten Glaskunstwerken, als im 19. Jahrhundert die Neugotik in Mode kam. In dieser Zeit wurden auch gotische Kirchen, die barockisiert worden waren, wieder in ihren Urzustand rückversetzt. In der Stadtpfarrkirche passierte das in den 1880er Jahren. Leider gingen die Glasgemälde wie in vielen anderen Kirchen im zweiten Weltkrieg zu Bruch. Danach erlebte die Glaskunst einen erneuten Höhenflug. Zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler ersetzten mit alten und neuen Motiven nach und nach die zerstörten Meisterwerke. Mit den Fenstern der Stadtpfarrkirche wurde Alfred Birkle in den 1950er Jahren beauftragt. Er nahm die Motive des Leidens und der Auferstehung Christi auf und sorgte für einen veritablen Skandal, der Graz kurzfristig in die Weltpresse katapultierte. Unter den Schergen, die Christus unter der Dornenkrone verhöhnen, sind auch Hitler und Mussolini. Da hatte der Künstler wohl noch eine Rechnung offen, seine Kunst war in der NS-Zeit als entartet verboten. Wer die auffälligen Porträts der Diktatoren nicht suchen möchte, im Eingangsbereich ist eine Erklärtafel. 

 

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden auch viele neue Kirchen gebaut, vor allem in den wachsenden Städten. Glasfenster stellten ein wichtiges Element der künstlerischen Gestaltung dar. Die Technik blieb die gleiche, die Motive wurden vereinfacht und abstrahiert. Die Kirche in Liebenau zum Beispiel entstand in den 1980er Jahren, die Fenster stammen vom Steirer Alois Mosbacher. Jeweils 5 auf jeder Seite erhellen den Raum und bestimmen die Atmosphäre. Und wie in der Gotik die berühmten Rosetten, gibt es auch ein Rundfenster, auf dem 12 (Apostel)Augen auf die Kirchengemeinde schauen.

 

Die Andrä-Kirche wiederum ist zu einer Galerie moderner Kunstschaffender geworden. Und das obwohl die Kirche aus dem beginnenden 17. Jahrhundert stammt. So finden sich ein Klimagerät und eine Jalousie genauso auf oder in den Fenstern wie eine Glastür vom Baumarkt, eine magentafarbige Folie oder alte Stühle. Früher haben die Menschen die Bilder verstanden ohne lesen zu können, heute muss man (nach)lesen, um die Bilder zu verstehen. 

 

Eine ganz eigene Atmosphäre herrscht in der gotischen Franziskanerkirche, die ein ähnliches Schicksal wie die Stadtpfarrkirche hatte. Ein mystischer Traum aus Licht und Farbe ist das Turmfenster, das die in Graz geborene Künstlerin Edith Temmel 2004 gestaltet hat. Die Technik der Bleiverglasung hat sich in den letzten Tausend Jahren kaum verändert. Aus der Nähe anschauen kann man sich das auf den Glasfensterrückseiten rund ums Casino. Die 40 Jahre alten Kunstwerke stammen von einem der bekanntesten österreichischen Maler, dem Kärntner Hans Staudacher. Ihre wahre Pracht ist aber nur von innen sichtbar.

 

Im Material Lab des Kunsthauses bin ich selbst mit dem faszinierenden Material in Berührung gekommen. Ausgehend von einer ukrainischen Buntglasarbeit in der Ausstellung, hat uns die Grazer Glaskünstlerin Julia Kastler in die Welt der mundgeblasenen Farbgläser und traditionellen Glasmalereimethoden entführt. Wir konnten mit speziellen Werkzeugen Glas schneiden und mit Diamantbohrern bearbeiten. Das Ergebnis – eine Postkarte aus Glas – war eher bescheiden. Ich wollte heimatliche Kärntnerliedklänge visualisieren und nach Graz schicken. Daraus wurde ein Gekritzel auf einem wunderschönen blauen Glas. Schade drum …

 



Blog-Geschichte über die Pflanzenkapitelle der Leechkirche * Mehr über die Grazer Glaskünstlerin Julia Kastler * Film über die Entstehung eines Kirchenfensters aus der ARD-Mediathek (45 Minuten) * Fotos: Leechkirche, Stadtpfarrkirche, Kirche Graz-Liebenau, Franziskanerkirche Turmfenster, Casino (CC BY-SA 4.0), Franziskanerkirche Chor, Glaspostkarte