Vorhang auf fürs Kino

Das Schubertkino hat die attraktivste Fassade, das Annenhofkino die längste Vergangenheit und das Cineplexx die meisten Sitzplätze. Und nicht nur in den Kinos, sondern auch über sie gibt es viele interessante Geschichten.

 

Auf dem Grazer Mehlplatz fällt das Gebäude mit der schwarzen Fassadenbemalung sofort auf. Das Schubertkino und der Farben- und Künstlerbedarf Kaspar Harnisch sind hier zuhause. Die dunklen Flächen bekam es 1999 anlässlich einer Ausstellung im Joanneum „Die Farben Schwarz“. Ein raffinierter Titel, ging es doch wirklich um die Vielfalt der Farbe, die eigentlich keine ist. Das Kino gibt es seit 1923, das denkmalgeschützte Haus steht hier seit über 450 Jahren. Es wurde mehrfach umgebaut, aber die Portale sind noch von damals, das rechte soll zu den schönsten in Graz zählen. Weil das Haus einmal als Hof des Stiftes Pöllau diente, heißt es auch so. Das farbige Fresko stammt vom bekannten Grazer Maler Adolf A. Osterider und ist aus den 1960er Jahren. Ach ja, und der Name Schubertkino geht nicht ganz unerwartet auf den Komponisten zurück. Die erste Besitzerin war ein Fan des Musikers, der – genau 100 Jahre vorher – Ehrenmitglied des Steiermärkischen Musikvereins wurde. Nach Graz kam er erst später, aber das ist eine andere Geschichte. Im Gastgarten vor dem Altstadtkino kann man schon im Feber die ersten Sonnenstrahlen genießen und im Sommer im Innenhof den kühlenden Schatten. Anspruchsvollere europäische Filme sind hier Programm, aber auch Filmfestivals.

 

Wer in Graz Kino sagt, muss auch Gierke sagen. Die Familie ließ 1906 das erste ortsfeste Kino in Graz bauen, nachdem sie zunächst mit einer mobilen Spielstätte auf Wanderschaft war. 1909 eröffneten Gierkes zusätzlich das Annenhofkino mit 1000 Plätzen samt eigenem Orchester, Seidentapeten, Samtvorhängen und Kronleuchtern. Der erste Weltkrieg brachte erstmals Propagandafilme ins Kino, danach war die Sehnsucht nach Zerstreuung groß. Kino, Filmverleih und Produktionen boomten. Während des Nationalsozialismus konnte auch das Annenhofkino Filme nur über die Reichsfilmkammer beziehen. Mit Kriegsende wurde das Kino von der britischen Besatzung kurzerhand beschlagnahmt und die Familie wegen Naziverdachts unter Hausarrest gestellt. Gierkes hielten zwei Jahre durch, dann bekamen sie ihr Lichtspielhaus zurück. Als sie 1948 wieder öffneten, stürmten täglich bis zu 3000 Besucherinnen und Besucher das Kino. Auch später schlechtere Zeiten hat das Annenhofkino gut überstanden. Erst 1996 hat die Gierke GmbH das Kino verkauft. Heute hat es 8 Säle und rund 2000 Plätze. 

 

Begonnen hat die Geschichte des Kinos 1895. Die Brüder Lumière luden am 28. Dezember zur ersten öffentlichen Vorführung ein, in Paris, gegen Bezahlung. 10 Filme wurden gezeigt, jeder ungefähr eine Minute lang. Die 33 Personen im Publikum waren hin und weg. Tatsächlich auch kurz weg, weil sie sich vor einem auf sie zufahrenden Zug in Sicherheit bringen wollten. Vorstellungen fanden zunächst auf Jahrmärkten oder im Theater statt, später in eigens dafür gebauten Sälen. Die Filme waren zwar stumm, aber mit den ersten Schallplatten, einem Klavierspieler oder einem ganzen Orchester musikalisch untermalt. Es gab auch Geräuschmaschinen und so etwas wie menschliche Untertitel durch eigene Filmerklärer. Dann kam der Aufstieg Hollywoods und mit ihm 1927 der Tonfilm und 1939 der Farbfilm. Als die Stunde des Fernsehens schlug, schien das Kino dem Untergang geweiht. Erst die Digitalisierung in den 1990er Jahren mit ihren schier unbegrenzten Möglichkeiten brachte den Umschwung. Gab es früher 30 Kinos in Graz, so sind es heute 6 mit 27 Sälen und rund 6000 Sitzplätzen. Das größte und jüngste ist das 1996 eröffnete Cineplexx in Puntigam.

 

In meinem Fundus gibt es sogar ein Kinobesuchsfoto. Nur zwei der sieben Film-Freunde konnten sich erinnern, was wir uns angeschaut hatten oder um ehrlich zu sein, nur eine Freundin. Denn ich selbst habe mit dem Aufnahmezeitpunkt im Jänner 2012 und den 3D-Brillen Google bemüht. Es war „Der gestiefelte Kater“. Beim Ort gehen die Meinungen auseinander, entweder Annenhof oder Cineplexx, jedenfalls Graz. Mein persönlicher Favorit ist das Schubertkino – gut erreichbar, mitten in der Stadt, angenehme Atmosphäre, weiche Sessel, meist gute Filme und gefühlt kaum popcornessende Filminteressierte. Auf meiner Lieblingsliste steht als nächstes das Geidorfkino, das 1959 eröffnet wurde, dann das Annenhofkino. Das bekommt von mir die Goldene Himbeere für die hässlichste Hausfassade. Damit sich jetzt niemand quälen muss, um die zwei noch nicht genannten Kinos herauszufinden, es sind das Rechbauerkino und das KIZ Royal. Britische Forscher haben übrigens herausgefunden, dass wer ins Kino geht, weniger anfällig für Depressionen ist. Das wird vielleicht auch von den Filmen abhängen. Mich bringt seit Shining niemand mehr in einen Horrorfilm. Auch Krimis sind tabu, was aber nur in einem fernsehlosen Haushalt wie meinem überhaupt möglich ist …

 



Fotos: sind eindeutig zuordenbar * Die ganze Geschichte über die Familie Gierke * Das Schubertkino