Sein Geburtshaus ist noch immer vergammelt und seine Büste im Burggarten hat schon bessere Tage gesehen. Die kleine Bühne aber, wo der berühmte Schauspieler erstmals auftrat, erstrahlt seit Herbst 2024 in neuem Glanz.
Der Saal liegt versteckt in einem mehrstöckigen Wohnhaus am Kaiser-Franz-Josef-Kai 50 in der Nähe der Schloßbergbahn. Warum sich gerade an diesem Ort die Fassadenschmierer besonders austoben, bleibt ein hässliches Rätsel. Im Inneren des Hauses ist hingegen fast unbemerkt ein wahres Kleinod zu neuem Leben erwacht. Maximal 90 Personen haben je nach Bühnengestaltung Platz, die Sessel wurden von Next Liberty ausrangiert, die Technik von den Vereinigten Bühnen. Mit Förderungen für das Nötigste und Leidenschaft für das Unmögliche, haben sich Mitglieder von theater quadrat und aXe einen Traum erfüllt – die Sanierung des denkmalgeschützten, zweigeschoßigen Theaters im Biedermeierstil. Das Haus ist in Privatbesitz, es stammt aus dem 16. Jahrhundert, wurde aber 1859 zeitgleich mit der Errichtung des Theatersaales adaptiert. Seit damals bis zum Beginn des 1. Weltkrieges nutzte der Grazer Gesellenverein die Spielstätte. Als gelernter Schlosser wurde Alexander Girardi in die Theatergruppe des Vereins aufgenommen und hat hier das erste Mal Bühnenluft geschnuppert. Da war er gerade einmal 17 Jahre alt. Danach diente das Theater ein Jahrhundert lang als Tanzschule. Heute ist es das „Theaterhaus“, das von der Freien Szene Graz bespielt wird.
Die Geschichte des berühmtesten Volksschauspielers seiner Zeit beginnt 1850 in der Leonhardstraße 28. Dort steht sein Geburtshaus, damals noch in einer Vorstadt von Graz. Es ist eines der ältesten Häuser der Straße, verfiel mit den Jahren und war vom Abriss bedroht. Weder Denkmalschutz noch zahlreiche Rettungsversuche konnten das verhindern, bis die Stadt Graz mit dem Eigentümer einen Baurechtsvertrag auf 35 Jahre abschloss. Im September 2024 wurde dann am Tag des Denkmals das Sanierungsprojekt vorgestellt – 2,4 Millionen Euro sollen investiert werden, um die Holzdecken abzustützen, die Technik zu erneuern, Sanitäranlagen und Lift einzubauen und ein optisches Statement zu setzen. Die nahe liegende Kunstuni wird "die intimste Bühne der Stadt" anmieten und Studierende werden sie leiten und kuratieren. Wann die Sanierung stattfinden wird, scheint noch nicht fix, denn seit mehr als einem halben Jahr tut sich gar nichts. Dabei gab es tolle Präsentationen und eine Begehung des Hauses. Auch der legendäre Girardikeller, der bis 2003 hier betrieben wurde, soll revitalisiert werden. Ob sich das alles bis zur geplanten Fertigstellung 2026 ausgeht?
Um der Stadt Graz nicht unrecht zu tun, die Straßen- und Zusatztafeln in der Girardigasse sind in bestem Zustand. Die frühere Alleegasse wurde 1909 bereits zu Lebzeiten von Alexander Girardi umbenannt. Gleich in der Nähe war das große Thalia-Theater. Dort begeisterte Girardi am 31. Mai 1899 das Grazer Publikum in seiner Paraderolle des Valentin im „Verschwender“ von Ferdinand Raimund. Danach fiel der Vorhang im Thalia für immer und ging in der Oper auf.
Girardi war Sohn eines Schlossermeisters und wurde auch vom Stiefvater in eine Schlosserlehre gedrängt. Er nutzte aber jede Minute seiner nicht gerade üppigen Freizeit – gearbeitet wurde damals 78 Stunden pro Woche – zum Studieren von Texten und Liedern. Als der Stiefvater stirbt, ist der Weg frei für eine sagenhafte Karriere als Schauspieler, Sänger und Komödiant. Seine Mutter unterstützt ihn und er wird ihr dafür bis an ihr Lebensende dankbar sein. Schon 1871 geht er nach Wien und feiert triumphale Erfolge an verschiedenen Theatern, 20 Jahre lang am Theater an der Wien. Es gibt kaum eine Nestroy-, Raimund oder Johann-Strauß Premiere ohne Girardi. Der beliebte Künstler stirbt 1918, zwei Monate nachdem er ans Burgtheater berufen wurde.
Ich habe während des Schreibens an dieser Geschichte ebenfalls zwei Premieren erlebt. Erstmals war ich im Theaterhaus am Kaiser-Franz-Josef-Kai und ich habe zum ersten Mal einen Girardi-Rostbraten zubereitet. Beides war ein Erfolg. Schauspieler Werner Halbedl, der das Bühnenkonzept für Fiasko von Imre Kertész entwickelt hat, meisterte den mehr als einstündigen Monolog im kleinen Theater einfach großartig. Auch der Rostbraten gelang ziemlich perfekt. Als sich einmal Kaiser Franz Joseph als Rindfleisch- und Alexander Girardi als Gemüse-Fan bei Katharina Schratt trafen, bat sie ihre Köchin, das Fleisch unter möglichst viel Gemüse zu verstecken. Das war die Geburtsstunde des Girardi-Rostbratens. Die Freundin des Kaisers spielte aber eine noch viel wichtigere Rolle. Auf Initiative von Girardis erster Frau, die ihn loswerden wollte, wurde er per Ferndiagnose für verrückt erklärt. Wien stand unter Schock. Katharina Schratt intervenierte und der Kaiser ließ von einem Ärztekonsilium ein Gutachten erstellen. Girardis Gesundheit wurde umgehend bestätigt. Eine kaiserliche Verordnung führte daraufhin zur Reform des Entmündigungsverfahrens. Wir verdanken Girardi also einiges … auch einen Strohhut.
Fotos: Renovierte Bühne im Haus Kaiser-Franz-Josef-Kai 50 (@Nicolas Pleasure Galani, Format bearbeitet), Girardihaus Leonhardstraße 28, Straßentafel, Haus Kaiser-Franz-Josef-Kai 50, Präsentation Tag des Denkmals (Girardi & Co), Büste im 2. Burghof * Das Theaterhaus * Das gewählte Rezept für den Girardirostbraten