Mehr Stolz in Graz

Die Stadt ehrt berühmte Persönlichkeiten meist mit Straßennamen, Erinnerungstafeln oder Büsten. Nach Robert Stolz ist sogar ein ganzes Seniorenzentrum benannt. Und nun auch ein Salon und ein Café. 

 

Dass das Seniorenzentrum in der Theodor-Körner-Straße den Namen des weltbekannten Komponisten und Dirigenten trägt, passt perfekt. Denn Stolz, geboren 1880 in Graz, wurde fast 95 Jahre alt. Er war noch in hohem Alter voller Schaffenskraft und seine letzte Ehefrau 32 Jahre jünger als er. Das erinnert an den Sänger Johannes Heesters, er wurde 107 an der Seite seiner 46 Jahre jüngeren Simone. Ist vielleicht doch etwas dran am Mythos des weiblichen Jungbrunnens? Die aktuelle Forschung kommt zu einem anderen Schluss: Es ist die Musik, die jung hält. Das Zauberwort heißt Dopamin, das Glückshormon flutet unseren Körper schon beim Zuhören. Mit der klitzekleinen Einschränkung, dass es Musik sein sollte, die man mag. Dann fördert sie die Gesundheit und Lebensfreude und hat überdies heilende Wirkung. In den Geriatrischen Gesundheitszentren Graz weiß man das natürlich. Und so hat auch die Seniorenresidenz Robert Stolz Musiktherapie im Programm.

 

Das Lebenswerk des unermüdlichen Komponisten umfasst 2000 Lieder und mehr als 60 Operetten und Filme inklusive Oscar-Nominierung. Und so gut wie alles hatte über Jahrzehnte das Zeug zum Ohrwurm. Heute sind die beschwingt heiteren Melodien aus der Mode gekommen. 

 

Stolz war 5-mal verheiratet. Frauen spielten offenbar doch eine wichtige Rolle in seinem Leben. Seine Mutter, Pianistin und Musiklehrerin, erkannte früh das Talent ihres Sohnes für das Komponieren. Robert war das 12. von 13 Kindern, sein Vater Komponist und Musikdirektor. Die Mutter soll ihn motiviert haben, auf dem Klavier alles in Töne zu verwandeln, was er sieht und hört. Diese Geschichte macht den Anfang beim Tanztheater im Salon Stolz. Zwei Tänzerinnen bewegen sich auf Bodenprojektionen zu den Melodien des Meisters und laden die Teilnehmenden immer wieder zum Mitmachen ein. Ein Vergnügen für die Kinder, aber auch für die begleitenden Erwachsenen.

 

Der Eingangsbereich des Seniorenzentrums wurde mit einem Zubau komplett neu gestaltet. Außen hört man schon Musik und es blühen auch bei Minusgraden (im Prater) die Bäume. Etwas pummelige Noten säumen den Weg und verbergen in ihrem Inneren ein Geheimnis. Wer auch immer in die Seniorenresidenz oder das Tageszentrum geht, spaziert ein Stück durch die Ausstellung. So verbinden sich Alltagsleben und Kultur, klassische Museumsbereiche und interaktive Spiele. Mit einer Virtual Reality-Brille dirigieren, Musikstücke beim Memory richtig zuordnen oder mit Würfel-Symbolen ein Instrument erklingen lassen – der Salon Stolz bringt das Werk des Komponisten in die digitale Gegenwart.

 

Geboren ist Stolz in der Schmiedgasse 26. Dort wo heute das Amtshaus steht, erinnert eine Tafel daran. Die Eltern zogen dann mit ihrer Musikschule auf den Mehlplatz. Dieses Gebäude steht noch und auch hier gibt es eine Gedenktafel. Später lebte Robert Stolz in Wien und Berlin, ehe er Österreich wegen seiner Ablehnung des Nazi-Regimes verließ. In Paris traf er 1939 seine 5. Frau oder besser gesagt sie ihn. Denn „Einzi“ soll den damals schon fast 60-jährigen Stolz in einem Emigranten-Café gesehen und beschlossen haben, ihn zu heiraten. So nebenbei war sie bereits verheiratet und hatte eine einjährige Tochter. Mit Beziehungen und Geld unterstützte sie damals geflüchtete und verarmte Kunstschaffende. Als Einzi(ge), daher der Spitzname. Durch sie konnte Stolz nach Amerika ausreisen, sie begleitete ihn. Die beiden heirateten 1946 und kehrten nach Wien zurück.

 

Es gibt eine Büste im Stadtpark in der Robert-Stolz-Promenade. Und auch eine Robert-Stolz-Gasse, Namensgeberin einer Haltestelle der Linien 5 und 3. Inklusive der Stopps beim Seniorenzentrum, jetzt mit dem Zusatz „und Salon Stolz“, wird in seiner Heimatstadt pro Tag fast 500-mal an Stolz erinnert. Leider ist derzeit nicht die ganze Welt himmelblau, aber ein paar Takte in der Bim könnten die Menschen bestimmt aufheitern.

 

Das Café Stolz im Spiegelfoyer der Grazer Oper braucht wohl noch etwas Werbung. Im großartigen Ambiente saß ich dort einsam und verlassen und ganz ohne aufheiternde Klänge. Tatsächlich soll es sich vor den Vorstellungen füllen und immer mittwochs um 14.30 Uhr werden besondere musikalische Spezialitäten in Espressolänge serviert. Hoffentlich ist damit das Trinken und nicht die Zubereitung gemeint. Einmal die Woche betreue ich im Robert Stolz Tageszentrum ehrenamtlich einen Lesekreis. Nachdem ich mit meinen Wahlenkelkindern im Salon an einem Quiz teilgenommen, im Tanztheater mitgetanzt und beim Musik-Memory kläglich versagt habe, musste Stolz auch als Thema für den Lesekreis herhalten. Die Titel von Liedern sind nicht mehr so präsent, die Melodien dazu kennen jedoch so gut wie alle in dieser Generation, die auch meine ist. So gab es ein bisschen Dopamin als Draufgabe.

 

Der Besuch der Kids im Salon Stolz wird sicher nicht der letzte gewesen sein, denn es gibt Workshops mit spannenden Themen: so steht zum Beispiel Beatboxing auf dem Programm, die Stimme als Schlagzeug. Hoffentlich dürfen auch Erwachsene mitmachen …

 



Informationen zum Salon Stolz * Und welche zum Café Stolz im Spiegelfoyer der Oper * Stefan Kölsch, Good Vibrations, Die heilende Kraft der Musik, Verlag Ullstein, 2019