Grüße aus der Urzeit

Es geht hier nicht um ausgestorbene Dinos, wohl aber um vom Aussterben bedrohte Tiere. Eine einzigartige Forschungseinrichtung in Graz beherbergt 2500 Schildkröten: Turtle Island.


Die Tiere, die auch ein bisschen danach aussehen, gibt es seit über 200 Millionen Jahren. Der Homo sapiens schafft bescheidene 300.000 Jahre. An den 4 Standorten, 3 davon in Graz, tummeln sich 210 unterschiedliche Schildkrötenarten. Turtle Island kümmert sich um den Erhalt und die Zucht. Dass es bei uns die größte und artenreichste Sammlung der Welt gibt, ist der Leidenschaft der Familie Praschag zu verdanken. Vater Reiner hat schon in den 1960er Jahren mit dem ausgefallenen Hobby angefangen und sich nach dem Studium auf Zoo-Architektur spezialisiert. Sohn Peter, Biologe und Zoologe, hat die Schildkrötenforschung gleich zu seinem Beruf gemacht und ist international tätig. Seine Frau Shannon DiRuzzo ergänzt das Team als Tierärztin. Darüber hinaus gibt es natürlich auch Mitarbeitende und freiwillig Helfende. Das größte Problem – die Finanzierung – ist durch einen amerikanischen Großsponsor zumindest noch einige Zeit nicht virulent. Öffentliche Mittel decken nur 10 Prozent der Kosten ab, Spenden sind also überlebensnotwendig. Kein Wunder, dass der Traum von einem einzigen Standort mit Besuchertrakt bisher nicht realisiert werden konnte.

      

Die Profis von Turtle Island züchten bereits einen Großteil der am meisten gefährdeten Schildkrötenarten nach. Auswildern ist aber nicht angesagt, denn die Freiheit ist gefährlich – Speiseplan, Schmuckstück, Plastik im Magen oder Beifang beim Fischen. Das sind wirklich keine rosigen Aussichten. Am Standort in Straßgang schaut Reiner Praschag seinen Lieblingstieren direkt vom Büro aus zu. Im und um das Haus sieht man die Tiere so gut wie überall in kleinen und großen Behältern und Becken, im Teich, in der Wiese, zwischen Pflanzen und auf Steinen. Es wimmelt nur so von unterschiedlichsten Schildkröten, zu denen Reiner Praschag viel zu erzählen weiß. Manchmal braucht es sogar einen Hinweis, um sie überhaupt zu erkennen. Wie zum Beispiel bei der Blattschildkröte auf dem letzten Foto.

 

Zutritt hat man nur an wenigen Tagen im Jahr und nur mit einer Führung. Eine solche habe ich meinen beiden Wahlenkelkindern zum Geburtstag geschenkt. Es wurde ein Familienausflug mit Hindernissen. Die Nachbarn erzählten jenen im ersten Auto, dass es hier kein Turtle Island gäbe. Spaß oder Absicht? Schildkröten sind zwar nach letzten Erkenntnissen ziemliche Plaudertaschen, aber Lärm machen sie nicht. Was also könnte stören?

 

Die bedächtigen Wesen werden bekanntlich steinalt. Vielleicht habe ich etwas falsch verstanden von wegen je aktiver desto älter. Ich hoffe da sehr auf neuere Forschungsergebnisse. Ein antarktischer Riesenschwamm soll 10.000 Jahre alt sein, winzige Quallen können sich verjüngen und sind quasi unsterblich und Grönlandhaie knacken den 500er. An Land aber ist es die Schildkröte, die alle überlebt. Gesichert scheint, dass die Galapagos-Schildkröte Harriet mit 175 in einem Zoo gestorben ist. Beim Alter holen wir allerdings sichtlich auf. Eine Französin starb Ende der 1990er Jahre mit 122. 

 

Die Natur hat allerlei Tricks auf Lager. So können die Weibchen den männlichen Samen einige Jahre mit sich herumtragen, bis sie – wenn alle Umstände passen – die Eier befruchten und eingraben. Von einem einzigen Ei bei den kleinsten Arten bis 200 Stück ist alles möglich. Das Ausbrüten erledigt die Sonne so in 50 bis 250 Tagen. Der Baby-Panzer ist im Ei noch zusammengefaltet und breitet sich erst beim Schlüpfen aus. Dann sind die Kleinen ganz auf sich allein gestellt und haben wegen des weichen Panzers viele Feinde. Später ist dieser Panzer mit Ausmaßen von 8 cm bis 2,5 Metern ein perfekter Schutz.

  

Die griechischen Landschildkröten im Garten der Kinder sind noch klein. Chipsi hat sich aufs Foto gewagt, Pepsi blieb im Gras verborgen. Die Tiere sehen sehr gut, vielleicht hat sie das grüne Plüschding irritiert. Die erste Übung, die wir bei der Führung lernen mussten: nicht mit den Händen herumfuchteln. Ein Fehlverhalten wird nämlich sofort geahndet – es geht platsch, platsch, platsch und keines der Tiere ist mehr zu sehen. Laut reden ist in Ordnung, sie hören schlechter als sie sehen. In Österreich ist nur die Sumpfschildkröte heimisch, ihr Lebensraum wird aber auch zunehmend eingeschränkt. Wenn es kalt wird, fallen Schildkröten in Winterstarre. Eine frühere Mitarbeiterin hatte einen eigenen Kühlschrank im Keller zum Überwintern. Das hat mich jede Menge Nerven gekostet, weil ich es nicht glauben konnte. Es hat aber jedes Jahr funktioniert.

 

Die grüne Sorte gehört mir, da brauch ich mir keine Sorgen zu machen. Es ist ein Staubwischer. Bekommen habe ich ihn von einer chinesischen Freundin. Ich weiß gar nicht, ob sie schon einmal eine Schildkröte gegessen hat, in China ist das ja eine Spezialität. Wobei: auch bei uns standen im 17. und 18. Jahrhundert Schildkröten auf dem Speiseplan, vor allem in Klöstern als Fastenspeise. Aber jetzt versuchen wir alles, sie zu schützen, vor allem hier in Graz …

 



Hier die Homepage von Turtle Island, auch falls jemand bedrohte Schildkröten vor dem Aussterben retten möchte * Für jene, die sich selbst aktiv einbringen wollen z. B. beim Schneckensammeln oder Löwenzahnpflücken, hier die E-Mail-Adresse: office@turtle-island.at * Interessantes zur Europäischen Sumpfschildkröte