Wahre Schönheit kommt von innen

Wer Weikhard liest, denkt an die Uhr, seit 1930 Treffpunkt für Jung und Alt. Und an die schönen Auslagen, die das Warten auf die Bim verkürzen. Aber es gibt dort noch etwas – eine über 3 Meter hohe Amethystdruse.

 

Der schöne kleine Innenhof mit seinen mittelalterlichen Säulen setzt den violetten Stein am Ende der Passage perfekt in Szene. Jetzt in der Adventzeit ist der Hof durch die weihnachtlichen Sterne noch einladender. Seine fast tausendjährige Geschichte ist allerdings nichts gegen jene der glitzernden Amethystkristalle. Auf der Infotafel werden ihnen unvorstellbare 2 Millionen Jahre zugeschrieben, ein Experte meint, dass man das wohl noch mit 100 multiplizieren kann. Wer ein Schmuckstück aus Amethyst trägt, schleppt also glatt ein paar Millionen Jahre Erdgeschichte mit sich herum.

 

Nach Graz kam die Amethystdruse nach ihrem Fund an der Grenze zwischen Brasilien und Urugay über Idar-Oberstein. Ein dortiger Steinhändler hat sie dem Grazer Juwelier in den 1980er-Jahren angeboten. Sie passte perfekt in den gerade in Umgestaltung befindlichen Innenhof. Idar-Oberstein? Das ist ein Ort in Deutschland mit einer jahrhundertealten Edelstein- und Schmucktradition. Die früheren Edelsteinminen sind jetzt für Besucherinnen und Besucher geöffnet. Die Steine, die heute dort verarbeitet werden, kommen hauptsächlich aus Brasilien. Und das tun auch die meisten Amethyste.

 

Apropos lange Tradition. Weikhard ist auch heute noch im Familienbesitz. Die erste Werkstatt gab es schon 1680 in der Annenstraße. Das liegt um einiges länger zurück als die Gründung der Mineraliensammlung im Joanneum durch Erzherzog Johann 1811. Er hat gleich 4000 Steine mitgebracht, die heute noch im Naturkundemuseum im Joanneumsviertel zu sehen sind. Darunter auch einige Amethyste. Heute umfasst die Sammlung 80.000 Objekte, der Großteil lagert im Depot in der Weinzöttlstraße in Andritz. 

 

Dort werden die Mineralien in den Labors analysiert. Und zwar nicht nur jene, die in der Steiermark gefunden werden, sondern auch solche, die Menschen selbst produzieren. Diese bemerkenswerte Fähigkeit bringt leider keine Amethyste hervor, sondern Nierensteine. Mit einem Rasterelektronenmikroskop findet man die Bestandteile heraus. Wer aber interessiert sich für die Zusammensetzung von Nierensteinen, wo die Chance auf wertvolles Material zu stoßen, doch eher gering erscheint? Es ist die Medizin. Sie kann daraus ablesen, welche Lebensmittel zu meiden oder welche Medikamente hilfreich sind. Amethyste sollen übrigens auch heilen können, das wusste schon Hildegard von Bingen. Außerdem klären sie die Gedanken und fördern die Konzentration.

 

Eine schnelle Einschätzung von Steinen erfolgt durch die Praxis des Ritzens, die in Graz entwickelt wurde. Der Erfinder dieser weltweit eingesetzten Methode, Friedrich Mohs, begegnet uns im Lesliehof im Joanneumsviertel als Büste. Er war der erste Kustos der Mineraliensammlung, die er systematisch geordnet und erweitert hat. Unser Amethyst in der Weikhard-Passage hat den Grad 7 auf der 10-teiligen Mohs-Skala. Was unverwüstlich ist, ist ein Diamant mit der höchsten Stufe, was sogar mit dem Fingernagel zerkratzt werden kann, ein Talkstein.

 

Amethyst besteht wie Quarz aus Siliziumdioxid, die spektakuläre Farbe kommt durch Spuren von Eisen zustande. Gasblasen im flüssigen Gestein von Vulkanausbrüchen vor hunderten Millionen Jahren haben die außergewöhnlichen Kristalle entstehen lassen. Oder hatte doch der Gott des Weines seine Finger im Spiel? Er wollte sich nämlich am erstbesten Menschen tödlich rächen, weil ein Sterblicher ihn missachtet hatte. Leider war es Amethyst, die des Weges kam. Um das Mädchen zu schützen, verwandelte Göttin Artemis sie in eine Quarzstatue. Auch tot, aber schöner als von Tigern zerrissen. Dionysos überkam die Reue, er vergoss Tränen in seinen Wein und diesen über die Statue. So bekam der Quarz seinen Namen und seine wundervolle Farbe.

  

Beim Schreiben sind wie immer Erinnerungen aufgetaucht. Zum Beispiel an den Weihnachtsbazar in der Waldorfschule vor mehr als 20 Jahren. Da gab es unscheinbare Steinkugeln, die aufgebrochen werden konnten. Ich bin zu Mineralien Leykauf gepilgert und habe erfahren, dass sie die Kugeln immer noch verkaufen und der Bazar in 2 Tagen stattfindet. Meine Wahlenkelkinder haben sich dann so wie früher ihre Mama eine Kugel ausgesucht. Und siehe da: Die geheimnisvolle Welt im Inneren hat sogar einen violetten Amethyst-Schimmer.

 

Kinder lieben Steine und das Sammeln. Mein Bruder hat sich diese Leidenschaft bewahrt und im Laufe vieler Jahre eine eindrucksvolle Mineraliensammlung aufgebaut. Eine faszinierend bunte Welt voller bizarrer Formen. Betriebsausflüge haben mich zum Talkstein-Schnitzen in den Ökopark Hartberg und ins Granatium nach Radenthein geführt. Mit Schutzbrille und Werkzeug geht es dort auf Granatensuche. Ach ja, einen Besuch in der Amethystwelt Maissau in Niederösterreich gab es auch. Dort soll das größte Vorkommen Europas sein.

 

Ich dachte bisher der Amethyst gehört zum Sternzeichen Schütze. Die esoterische Mehrheit ordnet ihn aber den Fischen zu. Ich behalte ihn trotzdem, obwohl ich keinen besitze …

 



Noch mehr Wissenswertes gibt es im Naturkundemuseum – in der Mineraliensammlung und in einer Ausstellung zum 250. Geburtstag von Friedrich Mohs * Wie ein Amethyst entsteht, zeigt dieses Video von www.planet-schule.de * Weikhard: www.weikhard.at * Mineralien Leykauf: www.leykauf-edelsteine.at * Der blaue Stein aus der Sammlung meines Bruders ist ein Azurit