Wer in Graz lebt oder die Stadt besucht, kennt den Friendly Alien. Auffällig und doch sanft schmiegt sich das ungewöhnliche Gebäude in das Stadtbild. Und es kommuniziert mit der Umgebung und den Menschen.
Das Kunsthaus wurde im Kulturhauptstadtjahr 2003 fertig gestellt. Der Uhrturm teilt sich seither seinen Status als Wahrzeichen der Stadt mit einem Außerirdischen. Und das obwohl er über 400 Jahre mehr Zeit hatte, sich in das Gedächtnis einzuprägen. Durch die organische Form schaut es tatsächlich so aus, als wäre das Kunsthaus zwischen dem Eisernen Haus und den angrenzenden ebenfalls denkmalgeschützten Gebäuden erfolgreich gelandet. Welcome steht passend über dem Eingang. Das Eiserne Haus, 1848 eine der ältesten Gusseisenkonstruktionen in Europa, heben wir uns für eine andere Blog-Geschichte auf.
Den Spitznamen Friendly Alien hat das spektakuläre Gebäude übrigens nicht von der Bevölkerung erhalten, sondern von Colin Fournier, einem der beiden Architekten. Der zweite im Bunde, Peter Cook hat offenbar schon im London der 1960er-Jahre über Sehrohre nachgedacht, die aus Bauwerken ragen, über Raumschiffe, die sich in Städten niederlassen und über variable Häute für Gebäude. Das was wir heute sehen, war sogar beim Bau noch architektonisches Neuland. Auch ohne Ausstellungsbesuch gibt es daher einiges zu sehen und zu hören.
Schauen wir uns die schimmernde Blase, die sich über dem Erdgeschoss erhebt, etwas genauer an. Auf der blauen Außenhaut sind 1068 Acrylglasplatten mit 6000 gelenkigen Haltepunkten verbunden. Jede einzelne Platte ist individuell dreidimensional geformt. Das ungewöhnliche Aussehen verstärken 16 sogenannte Nozzles, kleine Rüssel oder eben Sehrohre für die Außerirdischen. Sie schauen nach Norden und bringen Licht in die Ausstellungsebenen. Nur eine dieser Öffnungen wendet sich neugierig nach Osten. Sie ist direkt auf den Uhrturm gerichtet und stellt so den hoffentlich freundlichen Dialog zwischen den beiden Wahrzeichen her.
Und dann gibt es noch die Needle, eine 40 Meter lange gläserne Galerie als einziges gerades Gebilde. Die Bubble ist 3900 Tonnen schwer und wiegt 850 mal so viel wie die Liesl im Glockenturm, die aus 4,6 Tonnen Bronze gegossen wurde. Bereits 1587. Sie läutet heute noch täglich um 7, 12 und 19 Uhr mit 101 Schlägen, weil sie aus 101 türkischen Kanonenkugeln gegossen worden sein soll. Das ist allerdings ein Märchen, denn die Kanonenkugeln waren nicht aus Bronze.
Der Klang der Liesl gehört wie das Rauschen der Mur zum Soundscape unserer Stadt wie das heutzutage heißt. Auch das Kunsthaus produziert Geräusche. Im Innenhof hat der Klangkünstler Bill Fontana das Lösch- und Kühlsystem aus Murwasser über die chromblitzenden Abluftrohre hörbar gemacht. Man erreicht den Hof über das Foyer gleich neben dem Zugang zur Camera Austria. Sehenswert ist dort auch die schwarz-weiße Wandgestaltung von Esther Stocker. Der Außenraum um das Kunsthaus herum sendet stündlich ab 8.50 bis 21.50 Uhr Klangsignale aus. Der Brummton schwillt 5 Minuten lang an, ehe er plötzlich abbricht. Die Idee von Max Neuhaus Time Piece: Erst die Ruhe dringt ins Bewusstsein, obwohl das an diesem verkehrsneuralgischen Punkt relativ ist.
Bei den Eingängen verwundern rote strichlierte Markierungen, sie sollen einen Sog ins Kunsthaus erzeugen. Die UFO-ähnlichen Tischbänke in Pink passen perfekt zum Friendly Alien. Und am Abend kommuniziert das Kunsthaus über seine Fassade. Die Außenhaut ist gleichsam ein überdimensionaler Bildschirm, der Lichteffekte und Schriften erzeugen kann.
Mit der Errichtung des Kunsthauses ist auch der vernachlässigte Stadtteil rundherum aufgewacht. Architektur tritt immer in Dialog mit der Umgebung und den Menschen. Im besten Fall kann sie wie hier in Graz inspirieren und Impulse geben.
Die empfohlene Tour vor dem Besuch des Kunsthaus Shops: Von der Haupt- bzw. Erzherzog-Johann-Brücke aus ansteuern, Silhouette bewundern, einmal umrunden, die Außenhaut näher betrachten, auf einer UFO-Bank vor dem Eingang dem Brummen und Aufhören lauschen und dann im Innenhof den mit Vogelgezwitscher untermalten Geräuschen zuhören und sich beim Blick auf Wandmuster und Spiegelungen entspannen. Es gibt aber auch Architektur-Führungen. Immer dann, wenn Ausstellungen wechseln, das nächste Mal Ende August. Dabei begeistern Freiluft-Terrassen und Brücken, künstlerische Antworten auf Dachlawinen, der Blick aus der Needle und die verborgenen inneren Werte.
Der Shop ist mein persönlicher Favorit. Nirgendwo sonst gibt es so viele originelle Lifestyle-Produkte. Ich habe schon tolle Geschenke gefunden, übrigens auch für Kinder. Und außerdem ist der Kunsthaus Shop jeden Tag außer Montag geöffnet. Das kann auch einen vergessenen Geburtstag last minute und noch dazu kreativ retten. Mir selbst haben es vor allem schöne Geschenkpapiere angetan. Es gibt sie in Büchern, aus denen man die gefalteten Bögen herausreißt. Momentan sind Barcelona-Muster im Einsatz. Das nächste Mal werde ich vielleicht zu Bauhaus greifen. Leider dauert es einige Zeit, bis man das Papier aufgebraucht hat. Auch Notizhefte mit witzigen Aufschriften kommen zum Einsatz, vor allem für die vielen Blog-Ideen, die sich fast jeden Tag aufdrängen …
Alle Informationen über das Kunsthaus unter www.museum-joanneum.at/kunsthaus-graz/architektur