Astronom, Mathematiker, Astrologe und Mystiker

Das alles war Johannes Kepler. Der Entdecker der berühmten Planetengesetze verbrachte vor mehr als 400 Jahren einige Zeit in Graz, unterrichtete hier, schrieb sein erstes Buch und erstellte Kalender mit Voraussagen für das jeweilige Jahr.

 

Die ideale Geschichte also für den Beginn des Jahres. 1571 geboren, studierte Kepler Mathematik, Astronomie und Theologie. Sein Geburtsort in Baden-Württemberg heißt seit heuer offiziell Keplerstadt Weil der Stadt. 1594 folgte er mit 23 Jahren dem Ruf der protestantische Stiftsschule im Paradeishof. Nach der Schließung der Schule und seiner Ausweisung in der Gegenreformation, verließ Kepler Graz, kehrte aber noch einmal zurück, um 1600 endgültig nach Prag zu ziehen.

 

Graz mit seinen damals nicht einmal 10.000 Menschen war Residenz der innerösterreichischen Habsburger, der Schloßberg ein kahler Felsen, die Festung gerade durch Basteien erneuert worden. Eine Mauer schützte mit 11 Toren die Stadt. Uhrturm, Burg, Dom, Alte Universität, Franziskanerkirche und Landhaus gab es schon. Das Rathaus war eine Vorgängerversion inklusive Gefängnis. Eine einzige Brücke querte die Mur, der Hauptplatz war ein großer Markt, auf dem auch hingerichtet wurde. Lend und Gries galten als verruchte Wirtshaus- und Vergnügungsviertel. 

 

So wie es viele der damaligen Gebäude sind, ist auch Johannes Kepler heute noch präsent: Im Stadtpark steht eine Büste. Die Keplerstraße, die Brücke und ein nahes Denkmal erinnern an ihn. Im Paradeishof  gibt es eine Gedenktafel. Die Fenster im Lesliehof im Joanneumsviertel ziert ein Zitat. In der Stempfergasse findet man den Kepler-Keller und am Schloßberg die Kepler-Linde. Der Grund scheint eine Kepler-Biografie der deutschen Schriftstellerin Julia Burow Pfannenschmidt von 1857 zu sein. Darin liegt der kleine Johann, der lustig seine Gliederchen reckt, im Schatten einer Linde. Das herauszufinden, war Schwerstarbeit, selbst für einen Recherche-Junkie wie mich. Ich hoffe nur, mein vermuteter Zusammenhang stimmt.

  

Abgesehen von der Linde ist das lebendigste „Erbe“ wohl das Kepler-Gymnasium. Das Gebäude steht seit 1900, seit 2000 gibt es eine eigene Sternwarte. Schon davor im Jahr 1994 zum 400-Jahr-Jubiläum der Keplerschen Ankunft in Graz, wurden im Keller eine Ausstellung und ein Keplerraum gestaltet. Der ist zwar etwas in die Jahre gekommen, vermittelt aber – ergänzt um einen umfangreichen Internet-Auftritt – eine Vorstellung von Keplers wissenschaftlicher wie auch mystischer Seite. 

 

Kepler war in Graz nicht nur Lehrer, sondern auch Landschaftsmathematiker im Auftrag der protestantischen Landstände, zuständig für die Kartographie und die jährlichen Kalender. Solche Kalender enthielten auch astrologisch abgeleitete Vorhersagen über das Wetter, die Ernte oder andere Ereignisse. Keplers Prognosen trafen oft zu, seine Bekanntheit stieg. Sein Zugang zur Astrologie soll Teil einer anderen Blog-Geschichte werden.

 

Das Interessanteste in der Grazer Zeit war sein erstes astronomisches Werk, das „Mysterium Cosmographicum“ von 1596. Darin bekannte er sich zu Kopernikus und der Sonne als Zentrum des Universums und begann den vollkommenen göttlichen Kosmos zu berechnen. Vor Kepler hatte das noch niemand versucht. Das Buch machte ihn auch unter den Gelehrten bekannt. Galilei, nur 7 Jahre älter, lebte damals in Padua, der dänische Astronom Tycho Brahe werkte in Prag. Kopernikus war gerade einmal 50 Jahre tot, sein heliozentrisches Weltbild noch höchst umstritten.

 

Keplers ursprüngliche Idee war zwar falsch, führte ihn aber trotzdem zu seinen Planetengesetzen. Als Kepler nicht mehr versuchte die Fakten an seine theologischen Vorstellungen anzupassen, schrieb er das 1609 veröffentlichte Werk „Astronomia nova“ mit den ersten beiden Gesetzmäßigkeiten: Die Planeten bewegen sich auf elliptischen Bahnen um die Sonne und umso rascher je näher sie ihr sind. Das mit dem Brennpunkt und dem Überstreichen gleicher Flächen in gleicher Zeit ist Keplers mathematische Konsequenz. Das dritte Gesetz mit dem Verhältnis der Planeten zueinander, entzieht sich meiner astronomischen Logik. Beruhigend, dass Kepler damals auch mit den ersten beiden Gesetzen unverstanden blieb. 

 

Ein Déjà-vu bescherte mir das begehbare Ikosaeder im Keplerraum des Gymnasiums. Kepler legte die Bewegung der Planeten in seinem ersten Buch innerhalb von platonischen Körpern fest, die seit der Antike bekannt waren. Einer davon ist das Ikosaeder. Mit den 20 gleichseitigen verspiegelten Dreiecken (Bild links) erinnert es mich an ein Prisma im Museum der Illusionen in Wien und an Swarovskis Kristalldom in Wattens. Beides empfehlenswerte Ausflugsziele. Der Keplerraum ist in den letzten Jahren kaum öffentlich zugänglich gewesen – Danke daher an den engagierten Physiklehrer, der mir alles gezeigt und erklärt hat von der Wandmalerei bis zum kosmischen Becher und der Laser-Planeten-Harfe.

 

Keplers weiterer Lebensweg: 1601 wird er kaiserlicher Mathematiker in Prag, 1612 geht er nach Linz. Er veröffentlicht unzählige Schriften so auch 1627 die Rudolfinischen Tafeln, die länger als ein Jahrhundert dem Studium des Himmels dienten. Er wird Wallensteins Astrologe und stirbt 1630 mit 59 Jahren in Regensburg.

 



Vieles ist den Informationen auf www.keplerraum.at entnommen (die Kontaktperson stimmt derzeit nicht) * Auch interessant: www.keplersternwarte.at * Déjà-vu: www.kristallwelten.swarovski.com und www.museumderillusionen.at * Platonische Körper natürlich auf wikipedia