Aus dem Hut gezaubert

… ist diese Blog-Geschichte nicht. Sie entstand nach einer Führung durch die Hutmanufaktur Kepka. Die eine oder andere überraschende Information gibt es aber doch, denn Hüte zu produzieren ist spannender als man denkt.

 

Aus dem Hut zaubern hat übrigens genau dort seinen Ursprung, wo man ihn vermutet – im Zirkus. Wie das mit dem Kaninchen und dem Zylinder funktioniert, ist aber ein Zauberergeheimnis. Kein Geheimnis ist, dass die Verbreitung des Autos die Hüte aus dem Verkehr gezogen hat. Einen Schutz vor dem Wetter brauchte man nicht mehr und sie waren einfach im Weg. Wer als Mann trotzdem mit Hut gefahren ist, war Ziel des allgemeinen Spottes, besonders bei bestimmten Automarken.

 

Karin Krahl-Wichmann führt heute trotzdem mit Begeisterung eine Hutfabrikation. Sie übernahm den Betrieb in der Wickenburggasse im Jahr 2003 von ihrem Vater. Gegründet wurde die Manufaktur bereits 1910, der Name Kepka ist russisch und bedeutet kleines Hütchen. Ende der 1950er Jahre, als ihr Vater in die Lehre ging, gab es in Österreich noch rund 500 Hutmacherinnen und Hutmacher und doppelt so viele Modistinnen und Modisten. Heute sind es insgesamt kaum 200. In Graz ist Karin Krahl-Wichmann die einzige traditionelle Hutmacherin. Ihre Werkstatt schaut aus, als ob die Zeit stehen geblieben wäre. Und tatsächlich wird bei Kepka uralte Handwerkskunst noch immer großgeschrieben.

 

Nachdem Österreich keine Monarchie ist und Pferderennen wenn überhaupt hutlos besucht werden, hat sich die kleine Werkstatt eine andere Geschäftsbasis aufgebaut – die zahlreichen Musik- und Trachtenvereine, die Spanische Hofreitschule und das Theater. Weil Hüte langlebig sind, wird nicht nur produziert und gestaltet, sondern auch restauriert. Um neue Käuferschichten anzusprechen, setzt die Hutmacherin auf die Zusammenarbeit mit Fashionlabels und die Präsentation auf internationalen Messen. Ein Hut, mit dem man per Zipp Krempe und Kopfteil auswechseln kann und Hüte aus ausrangierten Kaffeesäcken sind ihre eigenen zeitgeistigen Kreationen.

 

Bis so ein Hut fertig ist, braucht es 2 Tage und bis zu 70 Arbeitsschritte. Grob vorgeformte Hutrohlinge werden mit Schellack – tatsächlich das von den Schallplatten – getränkt, unter eine Dampfglocke gesteckt und dann in Form gezogen. Mit der sprichwörtlichen Hutschnur wird die spätere Bandstelle fixiert. Nach der Trockenkammer kommen Bürsten ebenso zum Einsatz wie alte Lindenholzformen für die Feingestaltung. Oder es wird händisch geformt. Die Krempe wird zurechtgeschnitten, genäht wird mit Geräten, die schon vor 100 Jahren verwendet wurden und anderswo im Museum zu bestaunen sind.

 

Bevor dieser aufwendige Prozess überhaupt startet, gibt es eine ausführliche Beratung. Gilt es doch die Fasson, das Material, die Farbe und die Staffierung auszuwählen. Staffieren ist ein herrlich altmodischer Ausdruck für’s Schmücken und Verzieren. Maßband und Konformateur bestimmen Größe und Kopfform. Der Konformateur ist noch immer im Einsatz obwohl er bereits mehr als 170 Jahre alt ist. Schon das ist ein echtes Erlebnis. Bei Kepka kann man nicht nur Hüte kaufen, sondern auch an Führungen teilnehmen. Oder den Hut gleich selbst in einem Workshop produzieren. In Kürze wird das alles nicht mehr in Graz sondern in Deutschfeistritz angeboten, gleich neben dem Sensenwerk. Der Umzug nach 111 Jahren wird schon vorbereitet.

 

Kopfbedeckungen haben immer schon gesellschaftliche Unterschiede hervorgehoben. Trug man im Mittelalter verschiedene Arten von Kappen, wurden Hüte so ab dem 15. Jahrhundert richtig populär. Sie waren einmal riesig und verziert, auch für den Herrn, dann wieder klein mit bunten Bändern nur für die Damen. Die moderne Zeit brach mit den Topf-Hüten der 1920er Jahre an, bis eben das Auto kam. Und der Hut den Hut nehmen musste. Außer bei Vereinen, Polizei, Militär oder Feuerwehr, wo er noch immer ein wichtiges Erkennungszeichen ist. Welch unergründliche Windung des Schicksals, dass der Partner von Karin Krahl-Wichmann ihr nicht nur in der Werkstatt tatkräftig zur Seite steht, sondern auch Oldtimer vermietet. Wobei so ganz allein ist das Auto natürlich nicht schuld, damals wurde einfach der Lebensstil freier und der Hut engte ihn wohl etwas ein.

 

Ein paar Monate vor dem Hutmanufakturerlebnis hat eine beste Freundin in Passau einen Sonnenhut gekauft. Sie meint, dass ihr Hüte eigentlich nicht stehen. Außer eben dieses Exemplar. Ich habe mich angeschlossen mit dem gleichen Hut, aber einem roten Band. Das sollte sich später als Glücksfall erweisen. Denn gleich bei der nächsten Reise, die die beste Freundin in ein Kurbad unternahm, hat sie den Hut im Zug vergessen. Sie war untröstlich. Das nächste Geburtstagsgeschenk war also aufgelegt. Ich hätte ihr auch meinen gegeben, aber sie findet rot steht ihr nicht einmal bei diesem Hut. Glücklicherweise ist der deutsche Produzent auf dem Etikett angegeben. Er beliefert in Österreich ein Geschäft in Eisenstadt. Nach 9 Telefonaten, 7 E-Mails und 6 WhatsApp-Nachrichten war klar, dass es sich trotz eines Vorlaufs von einem Monat nicht bis zum Geburtstag ausgeht. In der Zwischenzeit ist sie aber wieder gut behütet …

 



Hutmanufaktur Kepka & Söhne derzeit noch Wickenburggasse 20: www.kepka.at