Anton Paar blickt zurück auf ein ganzes Jahrhundert spannende Firmen- und Familiengeschichte und baut für die Zukunft. Am Standort in der Kärntnerstraße entsteht ein Technologiezentrum für bis zu 1000 neue Arbeitsplätze.
Der Konzern ist bekannt für hochpräzise Messgeräte. Eine Zahnpasta, die aus der Tube rinnt, eine Biersorte, die jedes Mal anders schmeckt oder eine Schokolade, die nicht auf der Zunge zergeht – damit das nicht passiert braucht es genaueste Analysen. Für solche Messungen der Dichte und des Fließverhaltens ist Anton Paar Weltmarktführer. Messgeräte mit unterschiedlichsten Technologien gibt es aber auch darüber hinaus: Für die Kratzbeständigkeit von Displays, die Filterleistung von Gesichtsmasken, die Konsistenz von Mineralölen oder für die Bewegungsabläufe beim Fußballspielen.
Doch schauen wir 100 Jahre zurück: Anton Paar gründet 1922 eine Schlosserei in der Heinrichstraße und repariert Maschinen. Tochter Gretl wird 1932 die erste Schlossermeisterin der Steiermark. Mit der Stromversorgung und einem elektrischen Schweißgerät eröffnen sich neue Möglichkeiten. So stellt Anton Paar für die Firma Leykam, die heutige Sappi, Rohrverbindungen her. Die Reparatur des Klöppels der Lieblingsglocke der Grazerinnen und Grazer, der Liesl, festigt den guten Ruf. Als bei Kriegsende 1000 deutsche LKWs mangels Treibstoff hängenbleiben und danach wegen verrosteter Einspritzpumpen nicht mehr fahrtüchtig sind, rettet die Firma Paar deren Einsatz im Wiederaufbau. Die Pumpen werden zum Teil im Rucksack zu Gretl Platzer gebracht, der es gelingt, sie in Zusammenarbeit mit der TU zu reparieren. Zu dieser Zeit hat der Betrieb 12 Beschäftigte, Hermine Paar führt die Buchhaltung.
In den 1950-er Jahren sind die Töchter von Anton Paar führend in der Werkstatt tätig. Das erste wissenschaftliche Messgerät wird gemeinsam mit Professor Kratky entwickelt – eine Röntgen-Kamera zur Messung molekularer Strukturen. In der Zwischenzeit ist die Firma in die Kärntnerstraße übersiedelt. Ulrich Santner, verheiratet mit der Tochter von Gretl Platzer und Wirtschaftsingenieur, wird Geschäftsführer, als Anton Paar 1962 mit 79 Jahren stirbt. Das Unternehmen setzt ganz auf die Herstellung wissenschaftlicher Instrumente. Die Kratky-Kamera wird mit neuen elektronischen Bauteilen weltweit zum Verkaufsschlager, sogar die NASA bestellt. Das erste digitale Dichtemessgerät ist genauso erfolgreich. In den 1980-er und 1990-er Jahren folgt eine Innovation der nächsten und ein Preis dem anderen. Schwiegersohn Friedrich Santner, der den Namen seiner Frau angenommen hat, ist seit 1997 in der Geschäftsleitung. Der Aufbau des weltweiten Vertriebsnetzes trägt seine Handschrift. Heute werden mehr als 90 Prozent der Produkte in 110 Länder exportiert.
2003 wird die Santner Privatstiftung Eigentümerin der Anton Paar GmbH. So bleibt das Unternehmen auch bei unterschiedlichen Familieninteressen vor Verkauf oder Übernahme geschützt. Ausschüttungen dürfen nur gemeinnützigen Zwecken dienen. Es gibt bereits 500 Beschäftigte. Ab 2018 sind Friedrich und Maria Santner Vorsitzende des Stiftungsrates, Friedrich Santner ist CEO der Anton Paar GmbH, Maria leitet den Bereich Personal und Verwaltung. 2020 stirbt Ulrich Santner mit 88 Jahren.
Der Konzern beschäftigt heute an 9 Produktions- und 33 Vertriebsstätten 3700 Menschen – ein Drittel am Standort Graz. Zur 100-jährigen Jubiläumsfeier am 25. Juni sind alle eingeladen. Auch sonst wird für die Beschäftigten viel getan. Es gibt ausgezeichnete Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung, eine umfassende Betriebliche Gesundheitsförderung, Erfolgsprämien, eine Kinderkrippe, einen Kindergarten und ein Restaurant auf Hauben-Niveau zu Kantinenpreisen. Die Pandemie hat das Unternehmen halbwegs gut überstanden, Kurzarbeit gab es nur 3 Monate lang, der Schutz der Bediensteten war vorbildhaft. Der Neubau für 1000 weitere Mitarbeitende wird Anfang 2024 fertig sein.
Im Betriebsrestaurant, von Maria Santner geplant und geleitet, gibt es eine Kleinbrauerei, in der das Bier auf Herz und Nieren bzw. Hopfen und Malz geprüft wird – mit allem was der Marktführer in diesem Bereich so zu bieten hat. So können sich die Brauereikunden, die 15 Prozent des Umsatzes ausmachen, gleich im Echtbetrieb von der Qualität der Messgeräte überzeugen. Dass das gelingt, liegt vor allem am Braumeister, der zuvor im Produktmanagement und Vertrieb tätig war. Firmengründer Anton Paar hätte seine Freude an dem Restaurant, er war dem Essen und Trinken sehr zugetan.
Im Konzern ist die Familiennachfolge schon eingeleitet. In 5. Generation sind Jakob und Dominik Santner bereits Teil der Geschäftsführung. Ist es bei Anton Paar die biologische Verbindung, die Familie ausmacht, so definiere ich Familie ein bisschen anders: Als Menschen, die sich zusammengehörig fühlen und Verantwortung füreinander übernehmen. Und die Weihnachten gemeinsam feiern. So eine emotionale Familienverbindung gibt es nun schon 40 Jahre lang. Und sie hat etwas mit dieser Blog-Geschichte zu tun. Ein Mitglied der zweiten Generation arbeitet bei Anton Paar und die Kinder haben natürlich die Kinderkrippe und den Kindergarten besucht. Ein gemeinsames Essen im Sudhaus, das nach 16 Uhr für alle zugänglich ist, hat meiner Führung im Unternehmen und der Brauerei den würdigen Abschluss gegeben. Essen, Bier und Stimmung waren ausgezeichnet. Eine Wiederholung ist geplant, vielleicht mit einem Aperitif auf der Dachterrasse …
Alles über die Anton Paar GmbH, die Geschichte und die hochinteressanten Produkte: www.anton-paar.com * Ausstellung "exakt! Anton Paar vermisst die Welt" im GrazMuseum ursprünglich bis 3. Juli, offenbar verlängert bis 28. August 2022, im Innenhof, Eintritt gratis, täglich von 10-18