Napoleon, zwei Brüder und eine Schwester

Zwei Nächte hat Napoleon in Graz verbracht, ehe er sein Quartier in Leoben aufschlug. Zehn Tage danach kehrte er für weitere fünf Tage zurück. Seine Brüder Louis und Jerome und seine Schwester Elisa fanden später bei uns Zuflucht. 

 

Als Napoleon, damals Kommandeur der französischen Italienarmee und erst 28 Jahre alt, 1797 nach Graz kam, wohnten er und sein Generalstab in der Herrengasse 13. Das ist weitgehend vergessen, nichts mehr deutet heute darauf hin. Denn im Geschichtsbewusstsein der Grazerinnen und Grazer hat sich aus der Franzosenzeit der uneinnehmbare Schlossberg eingeprägt. Napoleon nannte die Festung eine Bruchbude, in der sich die Österreicher kaum länger als 24 Stunden halten könnten.

 

1797 verließen die Franzosen die Stadt nach einigen Tagen wieder. Wien hatte die Unterlegenheit erkannt und mit dem Vorvertrag von Leoben Friedensvorbereitungen getroffen. 1805 blieben die Franzosen dann zwei Monate, aber erst 1809 fand ein erbitterter Kampf um den Schlossberg statt. Major Hackher leitete die erfolgreiche Verteidigung, die ihm den Hackher-Löwen als Denkmal einbrachte. Durch einen Waffenstillstand kam es dann jedoch trotzdem zu einer erzwungenen Aufgabe. Die Festungsanlage wurde Ende 1809 aufgrund eines Friedensvertrages gesprengt. Vielleicht eine Rache Napoleons wegen seiner Fehleinschätzung. Nur Teile der Basteien blieben erhalten und natürlich Uhrturm und Glockenturm, freigekauft von den Grazer Bürgerinnen und Bürgern.

 

Dass die Franzosen überhaupt in die Steiermark kamen, war eine Folge der Französischen Revolution. Die europäischen Mächte wollten die Verbreitung der neuen Ideen verhindern und die Monarchie wieder einführen. Also bekämpften sie Frankreich. Die Siege der Franzosen führten dazu, dass aus dem Verteidigungskrieg ein unglaublicher Expansionskrieg wurde. Bis zum Ende in Waterloo.

 

Die Habsburger haben immer wieder Adeligen und Fürsten in ihrem Reich Exil gewährt. Nie in Wien, das wäre zu nahe an der Macht gewesen und wohl auch schwerer kontrollierbar. Auch zwei Brüder und eine Schwester Napoleons konnten von dieser Politik profitieren. Alle drei waren in Graz. Wer das Kirchlein in Maria Grün im Bezirk Mariatrost besucht, sieht gleich das Denkmal mit dem Abschiedsgedicht von Louis Bonaparte. Die Kirche war für ihn ein Lieblingsort. Er hatte 1810 als König von Holland abgedankt und Graz als Exil zugewiesen bekommen. Er nannte sich hier Graf Ludwig von Saint Leu. Als Wohnorte dokumentiert sind das Palais Welsersheimb in das 2005 die Buchhandlung Moser eingezogen ist und eine Villa in meinem Wohnbezirk Geidorf, die sich der Ex-König gekauft hat. Diese Villa in der Herdergasse 3 existiert noch. In dem denkmalgeschützten Haus ist heute unter anderem das Steirische Volksbildungswerk untergebracht. Anfang 1814 verließ Louis Bonaparte offenbar schweren Herzens Graz. Bei uns soll sein erster Roman „Marie und die Qualen der Liebe“ entstanden sein. Ich konnte nicht herausfinden, ob es das Werk noch gibt. Die Qualen der Liebe könnten auf Louis unglückliche Ehe hindeuten. Nicht mit einer Marie, sondern mit einer Hortense.

 

Auch ein weiterer Bruder Napoleons legte eine Zwischenstation bei uns ein: Jerome. Als abgedankter König von Westphalen gewährte ihm Österreich Zuflucht. Unter anderem in Graz, wo er und seine Frau als Graf und Gräfin von Harz 1814 vorübergehend das Schloss Eggenberg bewohnten. Sie zogen aber aus politischen Gründen bald nach Triest weiter. Seine Frau war Katharina von Württemberg, die ihn trotz seiner Eskapaden unbeirrbar geliebt haben soll. Und schließlich war auch Napoleons Schwester Elisa für einige Wochen im Schloss Eggenberg, ehe sie einen Pass ausgestellt bekam, der ihr die Weiterreise erlaubte. 

 

Der 200. Todestag, der vor Kurzem begangen wurde, erinnerte an den berühmten Korsen. Und mich an meine Jugend. Unsere Französischprofessorin hat 1971 eine Busreise nach Paris organisiert. Ich hatte mir das Grab Napoleons ausgesucht, das ich unbedingt sehen wollte. Davon gibt es kein Foto. Die, die es gibt, sehen außerdem so aus, als ob die Farbfotografie gerade erst erfunden worden wäre. Für mich war Napoleon Bonaparte damals ein Held, der die bahnbrechenden Ideen der Französischen Revolution in Gesetzen verankerte, allen voran den Rechtsstaat. Ein Modell auch für Österreich, an dem im Moment offenbar einige die Freude verloren haben, wenn man die Medienberichte verfolgt. Dass Millionen Tote auf Napoleons Konto gehen, war nicht Teil meines damaligen Geschichtsverständnisses. Aber auch Goethe fand Napoleon genial und Beethoven widmete ihm eine Symphonie. Als sich Napoleon jedoch zum Kaiser krönte, hat er wütend über die verratenen Ideale die Symphonie in Eroica umbenannt.

 

Ich war übrigens auch in Waterloo, aber erst vor gar nicht langer Zeit. Damit ist mein Besuch von Napoleons Grab in Jugendzeiten hoffentlich ausgeglichen …

  



Schlossbergmuseum auf und in der Kanonenbastei, geöffnet von 10.00-18.00 Uhr: grazmuseum.at/graz-museum-schlossberg * Spätbiedermeierdenkmal südlich der Kirche in Maria Grün mit Versen von Louis Bonaparte, Ignaz Franz Castelli und Anastasius Grün * Ludwig van Beethoven, 3. Sinfonie in Es-Dur, op. 55, mit dem Beinamen Eroica entstand 1802-1803