Eigentlich ist es meist ziemlich leer rund um den Eingang zu den Museen. Dabei ist die hinunterragende Architektur herausragend und der Platz voller interessanter Perspektiven – auch ohne Museumsbesuch.
Kaum zu glauben, dass es auf dem Areal des Joanneumsviertels früher eine Parkanlage gab. Sie wurde unmittelbar nach der Gründung des Joanneums 1811 angelegt und erstreckte sich vom Andreas-Hofer-Platz bis zum Jakominiplatz, bis sie in den 1880-er Jahren aufgelassen wurde. Heute präsentiert sich der Platz stylisch und minimalistisch und verbindet mit modernster Architektur im Untergrund die alten Museumsgebäude. Schon im 17. Jahrhundert entstand das ostseitige Gebäude in der Raubergasse mit dem Lesliehof. 1811 wurde dort das Joanneum gegründet – von Erzherzog Johann und den steirischen Ständen. Es ist mit seinen 200 Jahren das älteste Museum Österreichs. Ende des 19. Jahrhunderts kam das Museum in der Neutorgasse als neobarocker Monumentalbau dazu.
Und so sehen wir den Platz auch heute noch - umrahmt von diesen Gebäuden. Die Jahre zogen ins Land und schließlich ging es um die Sanierung und technische Aufrüstung. Das Architekturbüro Nieto Sobejano Arquitectos aus Madrid gewann zusammen mit dem Grazer Büro eep architekten die Ausschreibung, die Eröffnung erfolgte 2011. Herzstück ist ein gläserner Kegel mit einem Durchmesser von 13 Metern, in dem eine Rolltreppe nach unten in das Ticket- und Infocenter, zu den Eingängen der Museen und dem Entlehnbereich der Bibliothek führt. Weitere Lichtkegel versorgen die unteren Räume mit Tageslicht.
Was für ein besonderes Projekt das ist, habe ich erst in Wien erfahren. In einer Ausstellung des Architekturzentrums wurden die besten Bauten Europas präsentiert und siehe da – unser Joanneumsviertel war dabei. 2013 war es auf der Liste der 34 besten von 334 Projekten, die für den Mies van der Rohe Award eingereicht wurden. Das ist so etwas wie der Oscar der Baukunst. Gewonnen hat 2013 das Konzerthaus und Konferenzzentrum in Reykjavik in Island, an dem auch Olafur Eliasson mitgewirkt hat, der für seine poetischen Installationen in Museen weltbekannt ist.
Obwohl schon allein die Gestaltung des Platzes sehenswert ist, wertet ihn auch noch Kunst im öffentlichen Raum auf. Da ist einmal der Wild Cage von Lois Weinberger, ein eingezäunter Bereich, in dem es ohne menschliches Zutun wächst und gedeiht. Das Nichteingreifen und Zulassen soll ins Bewusstsein rücken, dem Wilden und Kunstlosen Platz gegeben werden. Ich sehe es auch als Erinnerung an den ehemaligen Park, auch wenn dort das Gegenteil von wildem Wachstum gepflegt wurde.
Ein Prismenwender von Michael Schuster soll uns wiederum sagen, dass es kein Geheimnis zu Licht und Farben gibt. Es klingt einfach: es gibt zwei Prismenwender, die im rechten Winkel zwei Seiten eines Balkons einnehmen. Die Farbflächen sind nicht zu übersehen. Auf der einen Seite blättern sich jeweils zwei der drei Primärfarben Rot, Gelb und Blau auf, auf der anderen Seite entfaltet sich die daraus resultierende Mischfarbe. Als Rot und Gelb Orange ergaben, habe ich mich gefreut, aber als bei Blau und Gelb eine rote Fläche erschien, wusste ich, dass ich etwas nicht verstanden habe. Naja, es soll ja auch um Fragen der Wahrheit und der Wahrnehmung von Wirklichkeit gehen.
Ein drittes Kunstwerk gibt es auf der Fassade der neuen Galerie, Richtung Neutorgasse. Es heißt Lissa und ist von Thomas Baumann. Man kann es mittels Handyanruf aktivieren. Dann zieht es eine Möbiusschleife, jenes Ding, das nur eine Kante und eine Seite hat und bei dem man nicht zwischen unten und oben oder zwischen innen und außen unterscheiden kann. 100 LEDs leuchten im Köpfchen des Stabes, der uns an die Unendlichkeit erinnern und die Zeit vergessen lassen soll.
Der Platz ist von mehreren Seiten zugänglich. Derzeit wird gerade alles für den jährlichen Adventmarkt aufgebaut. Ich meine, man spürt die Besonderheit auch beim Adventangebot. Das Joanneumsviertel durchzieht ein trendiges Lebensgefühl. Es lohnt sich, den Platz zu erkunden, die Kunst im öffentlichen Raum zu beobachten, die vielen Perspektiven bewusst wahrzunehmen. Man sieht in den Fenstern den Himmel oder andere Gebäude, in den Glasfronten der Trichter die Architektur rundherum oder durch die Scheiben eine neue gepunktete Welt. Es vermischen sich innen und außen. Man kann das große Ganze sehen oder es aus den Augen verlieren und sich in die Details versenken. Aus Blau und Gelb kann nicht Rot werden, aber es ist so. Ich versuche den Prismenwender zu verstehen und aktiviere in der Dämmerung den Lissa-Stab. Ich sehe die kleinen runden Grasflächen und sie erinnern mich an meine kleinen runden grünen Teppiche zuhause. Ich höre der Führung einer Schulklasse zu und lerne, dass der Boden versiegelt ausschaut, aber wasserdurchlässig ist. Und ich gehe natürlich auch in die Museen, vorzugsweise in Ausstellungen der Neuen Galerie oder zu Lesungen der Landesbibliothek. Das Naturkundemuseum habe ich bisher ausgelassen, aber ich habe fest vor, das zu ändern …
Neue Galerie, Naturkundemuseum, Center of Science Acitivities (CoSA) geöffnet Di-So 10-17 Uhr * Landesbibliothek geöffnet Mo-Fr 9-17 Uhr * Cafe-Restaurant OHO geöffnet Di-Sa 10-24 Uhr * Mies van der Rohe Award: www.miesarch.com