Das Kostbarste im Grazer Dom: Die Brauttruhen

Der Dom ist eher unauffällig, die Truhen aber gehören zu den schönsten ihrer Zeit. Sie haben Reliefs aus Elfenbein und waren einst im Besitz von Paola Gonzaga, deren Schicksal heute noch berührt.

 

Die Geschichte spielt im 15. Jahrhundert. Paola ist 1478 gerade einmal 15 Jahre alt. Sie ist in Mantua im Palast der Gonzagas aufgewachsen und wird von den Eltern zur Stärkung der Beziehungen zum habsburgischen Kaiserhaus mit Leonhard von Görz verheiratet. Er ist 20 Jahre älter. So eine Verbindung war damals keine Seltenheit. Was das Schicksal der Paola trotzdem tragisch macht, ist der Kulturunterschied. Sie war feinsinnig und gebildet und traf auf den schlichten und raubeinigen Görzer. Sie kam aus dem Gedankengut der Renaissance und landete in der Geisteshaltung des Mittelalters. Der Palazzo Ducale, in dem sie aufwuchs, ist zigmal so groß wie die Burg Bruck in Lienz. Das südliche Klima in Italien und die gesellschaftliche Offenheit tauschte sie mit dem gebirgigen Osttirol und einem feindseligen Umfeld. Der Wunsch nach einem Erben blieb für Leonhard von Görz unerfüllt. Das einzige Kind, das Paola schon mit 16 bekam, starb bald nach der Geburt. Paola Gonzaga wurde 32 Jahre alt.

 

Von Paolas Aussteuer, die in ursprünglich 4 Brauttruhen verteilt war, gibt es eine genaue Inventarliste. Die Truhen enthielten neben kostbaren Juwelen, Textilien und Silbergeschirr auch 14 Bücher, darunter Werke von Dante und Petrarca, die jeweils auch die Themen auf den beiden Truhenpaaren inspiriert hatten. Auf den Grazer Exemplaren sind es die Triumphe, die von Petrarca in Verse gefasst wurden: jener der Liebe, der Keuschheit und des Todes sowie des Ruhms, der Zeit und der Ewigkeit. 

 

Untrennbar verbunden mit dieser Geschichte ist der berühmte Renaissance-Künstler Andrea Mantegna. Ihm verdanken wir nicht nur die Truhen, die zu den schönsten der italienischen Handwerkskunst zählen, sondern auch ein bewegendes Bild von Paola Gonzaga aus glücklicheren Tagen. Die Fresken von Mantegna zieren das Hochzeitszimmer ihrer Eltern und zeigen die Familie. Paola reicht offensichtlich ihrer Mutter einen Apfel. Nur 25 Besucherinnen und Besucher dürfen sich gleichzeitig in der Camera degli Sposi im Palazzo Ducale aufhalten. In der touristischen Hochsaison in Vor-Corona-Zeiten war darüber hinaus die Dauer des Aufenthalts mit 5 Minuten limitiert. 

 

Der Weg der Brauttruhen führte von Mantua über Lienz und Millstatt nach Graz. Der kinderlose Leonhard von Görz vermachte die Brauttruhen aus Sorge um sein Seelenheil dem St. Georgs-Ritterorden in Millstatt. Als das Stift den Jesuiten übertragen wurde, wanderten zwei der Truhen nach Graz und sind seit 1617 Reliquienschreine im Grazer Dom. Die anderen beiden blieben wohl in Millstatt, wo es zu einer Trennung von Truhen und Reliefs kam. Die Reliefs landeten im Landesmuseum in Klagenfurt. Sie sind aus gebranntem Gips und bunt bemalt im Gegensatz zur wertvollen Schnitzarbeit in Graz. Im Stift Millstatt ist nur mehr ein Truhenkörper vorhanden, der andere ging verloren. Die Reliefs gibt es in Form von Bildern.

 

Wer glaubt die Mitgift ist ein Relikt der Vergangenheit, der irrt. Auch heute noch gibt es bei uns einen Passus im ABGB, der darauf hinweist, dass Eltern verpflichtet sind, ihren Kindern Starthilfe für die Gründung eines eigenen Haushalts zu geben. Zwar nur unter bestimmten Voraussetzungen, aber immerhin. 

 

Ich bin in Klagenfurt aufgewachsen und habe in Millstatt ganz liebe Freunde. Von deren Terrasse aus sieht man das Stift, die Stiftskirche Millstatt und auch den See. Im Schloss Bruck war ich in der Egger-Lienz Ausstellung. Als ich die Brauttruhen schon kannte – und das ist noch nicht lange her – habe ich auf einer Italienreise in Mantua im Palazzo der Gonzaga das Familienfresko bewundert. Und zwar ohne Einschränkung, denn es war Feber und es gab noch wenig Touristinnen und Touristen. Ein Ausflugsziel war auch einmal das Haus von Petrarca in Arquà in der Nähe von Abano Terme, in dem der Dichter seine letzten Lebensjahre verbracht hat. Mehr Zusammenhang geht nicht, außer ich wäre 2002, als ich in Wien war, in der Ausstellung „Andrea Mantegna und die Brauttruhen der Paola Gonzaga“ im Kunsthistorischen Museum gewesen. Aber da wusste ich von alldem noch nichts. Jetzt warte ich nur noch, bis im Jahr 2022 der Umbau des Klagenfurter Landesmuseums abgeschlossen ist und ich auch die bunten Truhenreliefs mit der Trajanlegende im Original sehen kann. In der Zwischenzeit mache ich Werbung für die schönsten aller Brauttruhen im Grazer Dom …

  



Der tägliche Altstadt-Rundgang um 14.30 führt auch zu den Brauttruhen im Grazer Dom, Treffpunkt Graz Tourismus Information in der Herrengasse 16, Dauer 1,5 Stunden, € 13,50 * Der Grazer Dom: www.katholische-kirche-steiermark.at/portal/dioezese/artikelueberdiedioezese/article/16.html