Würmer und Ratten sind nicht wirklich Sympathieträger. Wenn es aber um Bücher und Lesen und die Spezies Mensch geht, ist das anders. In der Steiermärkischen Landesbibliothek hätten sich früher alle wohlgefühlt.
Heute halten kühle Lagertemperaturen und geringe Luftfeuchtigkeit jedes Ungeziefer fern, während wohltemperierte Leseräume und gut sortierte Regale jedes leseinteressierte Wesen anziehen. 800.000 Bücher gibt es in der ältesten und größten Landesbibliothek Österreichs. Die Sammlung Styriaca umfasst zum Beispiel das komplette steirische Schrifttum – alle Werke steirischer Autorinnen und Autoren, alle über die Steiermark und alle von steirischen Verlagen und Druckereien. 1812 wurde die damalige Leseanstalt eröffnet. Erzherzog Johann hatte im Zuge der Gründung des Joanneums die ersten 30.000 Bücher und Zeitschriften zur Verfügung gestellt. 2009 bis 2011 erfolgte der Umbau und die Modernisierung des Joanneumsviertels. Seither ist die Landesbibliothek über eine Rolltreppe ins Untergeschoß erreichbar – wie die Neue Galerie und das Naturkundemuseum. Im Glaskegel der preisgekrönten Architektur spiegeln sich beeindruckend Regale und historische Gebäude.
Einen Stock darunter ist der Tiefspeicher, der eine Lagerung unter klimatisch perfekten Bedingungen und gleichzeitig eine schnelle Zulieferung an die Leserinnen und Leser ermöglicht. Die wertvollsten Bücher werden in Tresorräumen aufbewahrt.
Keine Chance also für den Bücherwurm. So werden verschiedene Käferarten genannt, deren Larven sich durch das Papier fressen. Also Achtung auf feinen Staub zwischen den Seiten oder kleine weiße Staubhäufchen auf den Regalen. Der menschliche Bücherwurm war früher nicht wirklich beliebt. „Er“ galt als schrullig, fühlte sich nur zwischen seinen Büchern wohl und mied die Gesellschaft. „Sie“ kam leider nicht vor, weil ihr die Bildungsmöglichkeiten lange Zeit verwehrt geblieben sind. Carl Spitzweg hat 1850 einen Bücherwurm als älteren Herrn ironisch überzeichnet auf einer Büchertreppe gemalt und wurde damit berühmt. Von den Ratten wissen wir, dass sie ziemlich alles verschlingen, was ihnen unterkommt, außer sie sind gute Köche wie in dem wunderbaren Film Ratatouille. Die Leseratten verschlingen sinngemäß Bücher. Beide Metaphern, Bücherwurm und Leseratte, waren also eher verächtlich gemeint. Heute sind wir wohlwollender. Wir bezeichnen damit Menschen, die erfreulicherweise gerne und viel lesen.
Schädlinge sind immer noch Thema in den Bibliotheken. Werden alte Bücher übernommen, so müssen sie zuerst in Quarantäne. Bei Restaurierungen, die in der Steiermärkischen Landesbibliothek noch selbst gemacht werden, gibt es jede Menge Spitzfindigkeiten, um Bücher zu verarzten. Sie werden gekühlt, erhitzt, genäht und sogar gewaschen.
Das langfristige Aufbewahren digitaler Medien ist ein Problem nicht nur für Bibliotheken. Das Buch, wie wir es kennen, gibt es immerhin seit 1452, als Johannes Gutenberg den Druck erfand. Bei mir sind Bücher nicht nur in Regalen sichtbar. Ein gestickter Gobelin mit dem Lesenden Mädchen von Fragonard, das er 1769 gemalt hat, hängt prominent in der Wohnung. Ich habe es selbst gemacht, vor vielen Jahren als Geschenk für meine Mutter zu ihrem 50er. Es war eine Höllenarbeit. Als das Bild nach dem Tod der Eltern bei mir gelandet ist, habe ich alle Bedenken gegen so etwas Altmodisches über Bord geworfen und es aufgehängt. Die passende Konsole hat willhaben beigesteuert. Heute hat sich das Motiv vermehrt. Es gibt ein lesendes Bronzemädchen auf dem Balkon, eine kleine Skulptur aus Afrika und auch einen jährlichen Kalender mit Kunstwerken, die lesende Frauen zeigen.
Wissenschaftler der amerikanischen Yale University haben übrigens herausgefunden, dass Menschen, die häufig lesen, länger leben. Immerhin 3.600 Teilnehmende über 50 hatte die Studie und nach 12 Jahren stellte sich heraus, dass 3,5 Stunden Lesen pro Woche das Leben gleich einmal um fast zwei Jahre verlängert. Also Bücherwürmer und Leseratten: weiter so!
Die Steiermärkische Landesbibliothek steht allen offen. Nur wenn man etwas ausleiht, muss man Mitglied sein für 7 Euro pro Jahr * Der Bücherwurm von Carl Spitzweg * Wer viel liest lebt länger, Geo