Kamine mit Köpfchen

Wer jetzt an hochinnovative Technologie bei Kaminöfen denkt, liegt nicht ganz richtig und vor allem zu tief. Denn hier geht es um jene Teile, die über die Dachflächen hinausragen, die sogenannten Kaminköpfe.

 

Die Dachlandschaft mit ihren Ziegeldächern hat viel dazu beigetragen, dass die Grazer Altstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe wurde. Das war im Dezember 1999. Vom Schloßberg aus hat man freie Sicht auf die verwinkelten Dächer mit ihren Giebeln und Türmchen und den lebendig rotbraun schattierten Ziegeln. Und mit ihren Kaminen. Aber immer dort wo die Straßen und Gassen breiter sind oder wo es Plätze gibt, lohnt sich auch der Blick von unten. So zum Beispiel wenn man vom Hauptplatz die Herrengasse Richtung Eisernes Tor hinunterspaziert. Mit dem Turm der Stadtpfarrkirche im Hintergrund bildet das Dach der Herrengasse 15-17 einen tollen Anblick. Die prachtvollen Kaminköpfe auf dem 1910 historistisch gestalteten Gebäude gehörten auch damals zu einer Bank. Heute residiert hier die UniCredit Bank Austria.

 

Kaminköpfe in aufwändiger Gestaltung zierten vor allem Repräsentationsbauten ab dem 17. Jahrhundert und tun es dem Denkmalschutz sei Dank auch heute vielerorts. Die Kleinarchitektur auf dem Dach spiegelte neben der Fassade oder eigentlich über ihr den Status und natürlich den Reichtum der Besitzerinnen und Besitzer wider. Die historischen Kaminköpfe und auch die dazugehörigen Kamin- und Ofensysteme werden bei Sanierungen mit modernster Technik kombiniert. Also doch Kamine mit Köpfchen … 

 

Einen Blick nach oben ist auch das Haus Herrengasse 11/Ecke Stempfergasse wert. Am besten stellt man sich dazu vor das Zeughaus. Nicht nur kleine kupferne Rohr-Kaminköpfchen schmücken das Dach, es gesellen sich zwei sehenswerte Rokokovasen dazu. Auch der Hauptplatz bietet intensiven Blickkontakt mit der berühmten Dachlandschaft. Weiter oben hat die Burg kaminhistorische Auffälligkeiten zu bieten. Passend zu den enormen Ausmaßen des Dachstuhls, ragen die Kaminköpfe bis zu einer Breite von 5 Metern in die Höhe. Sie sind mit kleinen, mit Dachziegeln eingekleideten Satteldächern geschmückt.

 

Obwohl viele der Grazer Kamine ein paar Hundert Jahre auf dem Köpfchen haben, waren es wieder einmal die Römer, die als erste gemauerte Kamine entwickelten. Damit sollte der Rauch von den damals üblichen offenen Feuerstellen abgeleitet werden. Diese Feuerstellen hießen Caminus. Mit dem Niedergang des römischen Reiches verschwand das Wissen und man verfiel wieder auf offene Feuerstätten mit Löchern im Dach. Es dauerte Jahrhunderte bis der gemauerte Kamin im 12. Jahrhundert erneut erfunden wurde und im 15. Jahrhundert auch uns erreichte. Dass Kamine eine österreichisch-bayrisch-schweizerische Erfindung sind, ist nicht bestätigt, aber nur in diesen Ländern heißen sie so. Woanders sind es Schornsteine. Rauchfangkehrer und -innen gibt es exklusiv nur bei uns.

 

Und nur bei uns vermischen sich das Innenleben, der Rauchfang und das was hinausschaut zum Kamin. Daher sind die Kaminköpfe in dieser Geschichte nur ein Fachterminus aus der Expertensprache. Dass sie auch noch einen Schaft, eine Mündung und einen Kranz haben, tangiert uns nicht wirklich. Kamin bleibt Kamin, drinnen wie draußen. Mit dessen Behaglichkeit kann ich in meiner Wohnung nicht dienen. Ich würde ihn auch nicht so gerne beheizen wollen. Daher bin ich ganz zufrieden, wenn stattdessen in der kalten Jahreszeit der Anblick von Kuscheldecken und -Polstern für Seelen- und deren Nutzung für Körperwärme sorgt. Zumal sie mich auch daran erinnern, dass ich sie von lieben Menschen geschenkt bekommen habe. Meine Ersatzenkelkinder waren dann der Meinung, dass auch noch ein Kuschelbär dazugehört. So fühlt sich Herzerwärmendes an. Da kommen die Kamine auf den Dächern zwar nicht mit, sehenswert sind sie trotzdem. Also in Zukunft Kopf hoch, überhaupt und besonders beim Spaziergang durch die Grazer Innenstadt …

 

Fotos: Herrengasse 15-17, in der 3er Kombination: Herrengasse 11, Karlstrakt der Burg, Hauptplatz, darunter mein Wohnzimmer * Es gibt ein Buch „Graz Dach, Ziegelgeschichten“, Wieser Verlag, es ist jedoch nur mehr gebraucht erhältlich