Die erste Funk-Uhr

„Mich hat Sylvester Funk anno 1712 gemacht“, so steht es auf dem Uhrwerk im Grazer Uhrturm. Seit mehr als 300 Jahren ist die Funk-Uhr nun schon in Betrieb. Heute wird sie natürlich auch per Funk gesteuert.

 

Als Sylvester Funk den Auftrag bekam, war die alte Uhr seit 1569 in Betrieb. Kurz davor wurde der 28 Meter hohe Turm errichtet, so wie wir ihn heute noch kennen. Auf dem hölzernen Wehrgang hielten die Feuerwächter Ausschau nach Bränden, die 5 Meter großen Zifferblätter gab es auf 3 Seiten, durch den fast 3 Meter langen Zeiger konnte man die Stunden weithin sichtbar ablesen. Graz hatte seinen Uhrturm und sein Wahrzeichen. Im Laufe des nächsten Jahrhunderts wurde die Uhr immer ungenauer. Das war nicht weiter schlimm, damals lebte man noch ganz gut ohne Zeitmesser. Nur auf öffentlichen Gebäuden und Kirchen gab es welche. Die Bevölkerung fand es dann aber doch ärgerlich, dass jede dieser Uhren eine andere Zeit anzeigte. Und so schlug die Stunde des Großuhrmachermeisters Funk.

 

Er schuf im wahrsten Sinne des Wortes ein Meisterwerk. Die neue Uhr war präzise genug, um auch die Minuten anzuzeigen. Seit damals geht zumindest diese Uhr in Graz anders. Da der Stundenzeiger so gewohnt wie wichtig war, mussten sich die Minuten mit einem kleineren Exemplar begnügen. Das ist aber für frühere Zeiten nicht wirklich ungewöhnlich. Das Zifferblatt wurde erneuert, mit einer Viertelstunden-Skala ergänzt und die bisher freie Nordseite bekam auch eines. Dass die Zahl 4 als IIII dargestellt ist, ist auch heute noch uhrenüblich.

 

Das Uhrwerk im Uhrturm funktioniert noch immer einwandfrei, es wurde im 19. Jahrhundert einmal überarbeitet und Mitte des 20. Jahrhunderts auf elektrischen Betrieb umgestellt. Drehen wir am Rad der Geschichte, so treffen wir ab dem 14. Jahrhundert auf die ersten Uhren dieser Art. Auf Kirchtürmen, zunächst in Italien und England. Aber schon ein paar Tausend Jahre davor beobachteten die Sumerer den Schattenlauf. Zunehmend komplexere Sonnenuhren ersetzten in der Antike, im Mittelalter und noch in der Neuzeit den Blick Richtung Himmel. In Aiello hält die Begeisterung bis heute an, den kleinen Ort nahe Udine bevölkern an die 80 Sonnenuhren. Die Zeit orientierte sich am Höchststand der Sonne am jeweiligen Ort. Für die Eisenbahnen, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine neue Zeit einläuteten, ein Horror. Die geniale Lösung ergab sich am Ende des Jahrhunderts mit der Einführung von Zeitzonen, die sich an den Längengraden orientieren. Zunächst war es die Prager Zeit, die unser Uhrturm anzeigte, bis dann 1891 die Mitteleuropäische Zeit anbrach. Davor überlebte er noch die Schleifung der Festung 1809. Die Grazerinnen und Grazer kauften ihn (und den Glockenturm) bekanntlich von den Franzosen frei. Mit den renovierten Zifferblättern und den goldenen Zeigerspitzen ist er heute schöner denn je. 

 

Ich besitze eine Uhr, die so alt ist wie ich. Mein damaliger Chef hat sie mir zum 50er geschenkt, vor 2 Jahrzehnten. Girard Perregaux ist eine der ältesten Schweizer Uhrenmarken. Uhren, die wir uns ums Handgelenk binden, gibt es seit ca. 200 Jahren, Taschenuhren schon länger und Turmuhren noch ein bisschen länger. Die Zeitübertragung per Funk ist für Westeuropa erst seit 1973 möglich – über einen Sender in Frankfurt und eine Antenne im Uhrturm. Die verschlossene Tür zum Funk'schen Uhrwerk öffnet sich nur bei Führungen. Im Rahmen des Kulturprojektes „The Graz Vigil“ war ich 2020 gedankenschreibend sogar im Zimmer des früheren Turmwärters. Jeden Morgen und jeden Abend hielt jemand in einem temporären Holzbau eine Stunde Wache über Graz. Meine Stunde war wirklich denkwürdig – ein gewaltiges Unwetter mit Donner, Blitz und Regen zog über die Stadt. Damals wusste ich noch nicht, dass man auf dem Schloßberg schneller altert als auf dem Hauptplatz. Albert Einstein hätte uns das erklären können, heute kann man es sogar nachweisen. Die Bruchteile von millionstel Sekunden lassen sich aber sicher durch die Glücksgefühle beim gelungenen Aufstieg und beim prachtvollen Rundumblick wettmachen.

 

 

Schloßberg gilt als Eigenname und wird mit scharfem ß geschrieben * Interessantes über den Uhrturm * Schloßbergführungen von Mai bis Oktober am Samstag von 11-12.30 über Graz Tourismus