Die Engalan, die kugalan ...

… ganz haufnweis hervor. Und das aus dem himmlischen Tor, das sich zu Christi Geburt eröffnet haben soll. Zumindest in einem bekannten Weihnachtslied. Im Palais Herberstein, heute Museum für Geschichte, sieht man sie sogar raufen.

 

Dass Engel nicht nur ernst und anmutig auftreten, sondern auch übermütig und verspielt, weiß man. Dass sie aber raufen, ist doch etwas irritierend. Ihr Metier sind ja Frieden und Eintracht. Warum sie sich im schönsten barocken Stiegenaufgang von Graz in die Haare kriegen ist nicht überliefert. Das eindrucksvolle Umfeld dafür haben jedenfalls die Grafen von Herberstein Mitte des 18. Jahrhunderts durch eine Neugestaltung des Hauses in der Sackstraße 16 geschaffen. Das repräsentative Stiegenhaus war Teil dieser Veränderung und damals ein wichtiges Statussymbol. Das erwähnte Lied oder zumindest der Text ist zeitgleich erstmals in Tirol nachweisbar. Gesungen wurde es beim weihnachtlichen Gottesdienst, ehe es wegen des etwas derben Wortlauts vor die Kirchentore verbannt wurde. Als Volkslied blieb es erhalten. Unsere Rauf(b)engel sind ebenfalls das Werk eines Tirolers. Veit Königer hat damals aber schon in Graz gelebt..

 

Später zogen Justizbehörden in das Palais, dann eine Indoor-Fahrradschule und danach ein Tanzlokal ehe es 1941 die Heimat der Neuen Galerie und 2011 jene des Museums für Geschichte wurde. Die Engel haben das alles unbeeindruckt überstanden. Besuchen kann man sie auch ohne Museumseintritt.

 

Etwas gesitteter benehmen sich die goldigen Engel in der Grazer Oper. Fröhlich bevölkern sie den Treppenaufgang. Wohlgenährt, meist nackt, mit und ohne Flügelchen waren solche Engelsfiguren über Jahrhunderte eine beliebte Dekoration oft ohne Bezug zur ihrer religiösen Herkunft. Wahrscheinlich um sie von den ehrwürdigeren Engeln zu unterscheiden, nennt man sie Putten oder Putti. Die berühmtesten ihrer Art sitzen seit 1513 keck am Fuße von Raffaels Sixtinischer Madonna und wurden im Laufe der Jahrhunderte zu echten Werbe-Ikonen.

 

Seit dem Mittelalter herrscht im Himmel überdies strengste Engel-Ordnung: Die biblischen Wesen werden in 9 Chöre und 3 Hierarchiestufen eingeteilt. Ganz oben stehen die, deren einzige Aufgabe es ist Gott anzubeten, auf der 2. Ebene finden sich die Verwaltungsengel für das Universum und auf der 3. Ebene wird geschuftet. Erzengel überbringen göttliche Botschaften, die niedrigeren Chargen beschützen und begleiten die Menschen. Alle tun Gutes bis auf den einen abtrünnigen, den Inbegriff des Bösen. Das Wort Engel kommt vom griechischen angelos, Bote. Der Bischof und Universalgelehrte Albert Magnus zählte im 13. Jahrhundert knapp 400 Millionen davon. Wie er das gemacht hat, konnte ich nicht herausfinden. Google erreicht jedenfalls bei der Engel-Suche ein ähnliches Ergebnis: über 350 Millionen Treffer. 

 

Eine himmlische Ausnahme mit menschlichem Verhalten gibt es auch nördlich von Graz. Dort schluchzt ein Engel herzzerreißend über dem Eingang der gotischen Wallfahrtskirche Maria Straßengel. Menschen lieben bildliche Darstellungen, auch wenn Engel laut Angelologie körperlose Geistwesen sind. Ja, es gibt sie tatsächlich, die Lehre von den Engeln. In unserem Weihnachtslied kugeln ganz anschaulich Büabalan und Madalan durcheinander. Bei den Putten sind die Kindgestalten meist ebenso anschaulich männlich. Kein Wunder, das Wort kommt aus dem Italienischen und bedeutet Knäblein.

 

Ich gestehe, dass die Engalan nicht ganz dem Tiroler Original entsprechen. Dort sind es Engelan. Die Kärntner Heimat lässt sich einfach nicht verleugnen. Meine persönlichen Engelchen kamen schon zu Blog- und Foto-Ehren in der Geschichte über die Jakobsleiter zum Reinerkogel. Dort habe ich auch angekündigt, die Stufen zu zählen, da man sich im Internet ziemlich uneins zeigt. Es sind 448. Mit unseren übermütigen Engalan wünsche ich allen ein freudvolles Weihnachtsfest.

 

 

Infos zum Palais Herberstein auf der Joanneums-Homepage * Die berühmten Engel auf Raffaels Sixtinischer Madonna * Es hat sich halt eröffnet das himmlische Tor