Normalerweise verfärben sich die Blätter der Bäume ab Oktober. Nicht so im Stadtpark. In der Kastanienallee herbstelt es schon im Hochsommer, weil dort ein kleiner fieser Schmetterling sein Unwesen treibt.
Im schönsten Erholungsraum von Graz stehen rund 2000 Bäume, mehr als 800 davon sind weißblühende Rosskastanien. Die Blätter genau dieser Kastanienart sind der Nistplatz und das Lieblingsfutter der Larven der Miniermotte. Die gute Nachricht: Es ist für den Baum nicht lebensbedrohend. Die schlechte: Die Blätter werden mitten im Sommer braun und fallen ab. Der Kleinschmetterling tauchte bei uns erstmals 1990 auf, illegal eingewandert aus dem Balkan. Er ist auch noch heikel und verschmäht die gelb- und rotblühenden Sorten. Man könnte also die Bäume sukzessive austauschen, gäbe es da nicht neben dem Natur- auch noch den Denkmalschutz.
Eine Allee besteht nämlich nicht nur aus zwei beliebigen Baumreihen, sondern ist ein wichtiges Gestaltungselement der Gartenarchitektur. Und das bedeutet: links und rechts auf gleicher Höhe, im gleichen Abstand, im gleichen Alter und in der gleichen Baumart. Nur so entsteht die idealtypische Ästhetik. Ab dem 17. Jahrhundert werden Alleen bewusst im Städtebau eingesetzt, ihren Namen sollen sie aus dem französischen aller = gehen haben. Weil die gelb- und rotblühenden Kastanienbäume eine etwas andere Wuchsform aufweisen, werden auch in Zukunft nur weißblühende Exemplare unsere Stadtparkallee bevölkern dürfen. Vorschrift ist Vorschrift, Miniermotte hin oder her.
Die Kastanienallee wurde nach der Auflösung der Verteidigungsflächen vor der Stadtmauer zwischen dem Paulustor und dem Glacis in 4 Abschnitten errichtet. Untrennbar mit ihr verbunden ist der Name Johann Heinrich Ritter von Formentini. Er war so etwas wie ein städtischer Immobilienverwalter. Um das Projekt umzusetzen, verpachtete er die Flächen des eingeebneten Stadtgrabens als Weideland und finanzierte mit den Einnahmen die Bepflanzung. So entstand nach 3 Jahren 1790 die Kastanien- oder Dammallee als erste öffentliche Grünanlage in Graz. Wie es früher einmal ausgesehen hat, kann man in der Montclair-Allee erahnen. Dort gibt es Nachwuchsbäume im jugendlichen Alter von etwa 20 Jahren. In den älteren Teilen der Allee erkennt man, dass das mit dem Nachpflanzen nicht so einfach ist. Musste man einen alten Baum fällen, hat man ihn bisher durch einen jungen ersetzt. Das jedoch stört das Gesamtbild. Zudem neigt sich der junge Baum gleich einmal zur Seite, um dem Schatten des alten gegenüberliegenden auszuweichen. Die Instandhaltung dieses Naturdenkmals ist also ganz schön komplex. 80 Jahre nach der Erstbepflanzung der Kastanienallee erwarb die Stadt die übrigen Gründe. Und 1872 wurde dann eine der heute historisch wertvollsten Parkanlagen Europas eröffnet.
Für mich wie wahrscheinlich für viele, beginnt der Herbst, wenn die stacheligen Hüllen von den Bäumen fallen und platzen. In meiner Kindheit haben wir Kastanien noch als Winterfutter für die Rehe gesammelt. Ich sammle sie heute noch als herbstliche Dekoration. Wenn dann die Maronistandln auftauchen, rückt auch der Winter ein bisschen näher. Die ungenießbaren Rosskastanien und die essbaren Edelkastanien sind nur sehr weitschichtig miteinander verwandt. Letztere sind unglaublich gesund und stärken alles, was es zu stärken gibt. So sind wir dann fit genug um (für andere) die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Die Redewendung verdanken wir einer der vielen Tierfabeln des französischen Dichters La Fontaine aus dem 16. Jahrhundert. Ein Affe überredet einen Kater zu diesem schmerzhaften Unterfangen und verputzt die gerösteten Kastanien dann auch noch alleine. Zum Verputzen habe ich eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Ein Viertelliter Maroni sind ca. 10 dkg, sie haben daher nur etwa 200 Kalorien. Die schlechte: Auch 4 Euro pro Sackerl sind keine Garantie dafür, dass sich alle schälen lassen. Ich habe daher für alle Fälle auch noch Maroniherzen zuhause.