Fast 9000 historische Ansichtskarten hat das Graz Museum gemeinsam mit der Universität online gestellt. Man kann sie sogar sortieren nach Bildorten, der Datierung oder nach gelaufen und ungelaufen.
Im Antiquitätenladen in der Sackstraße erfährt man, dass die gelaufenen die beliebteren Sammelstücke sind. Mit Adresse, Text, Marke und Poststempel geben sie einen viel intimeren Einblick in die Vergangenheit als jene ohne Postlauf. Das Jahr 1900 erzielt in der Online-Datenbank 671 Treffer, der Bildort Uhrturm 490, der Empfangsort Klagenfurt 36. Bei den Ereignispostkarten findet sich 1911 auf dem Weg nach Liezen eine mit einem Foto der ersten Grazer Hosenrock-Trägerin. Das Stöbern ist wirklich spannend.
Es war Anfang 1869 als der Kärntner Emanuel Herrmann die Einführung einer Postkarte vorschlug. Der Nationalökonom hat sich in Graz habilitiert und hier auch als Privatdozent gearbeitet. Bereits am 1. Oktober 1869 wurde sein Vorschlag als Correspondenz-Karte von der österreichisch-ungarischen Post weltweit als erstes umgesetzt. Das erwies sich als echter Glücksgriff. Im ersten Monat sind 1,4 Millionen dieser noch nicht illustrierten Karten verkauft worden. Kein Wunder, sie waren billiger als ein Brief, sprachlich nicht so herausfordernd und sie wurden in den Städten mehrmals am Tag zugestellt. Schon 1878 gab es einen Weltpostvertrag. Um 1895 kamen dann die ersten Motivkarten, die Fotografie hatte sich weiterentwickelt. Platz für einen Text blieb jedoch nur auf der Bildseite. Die Rückseite war weiterhin der Adresse vorbehalten bis 1904 ein mutiger Querstrich das Adress- vom Textfeld trennte und damit die ganze Vorderseite für das Bildmotiv frei blieb.
Und es gibt sie noch immer die gute alte Ansichtskarte. Ihre Blütezeit war zwischen 1895 und dem ersten Weltkrieg, in dem dann Feldpostkarten die einzige Verbindung zwischen der Front und den Daheimgebliebenen waren. In den Jahrzehnten danach wurde das Telefonieren leistbarer und die Verwendung reduzierte sich nach dem 2. Weltkrieg und dem Wiederaufbau auf den Tourismus. Schon zu Beginn des Urlaubs begann die verzweifelte Suche nach den passenden Motiven. Marken gab es meist woanders, die Briefkästen hielten sich versteckt. Das Schreiben war zeitaufwändig. Man begann daher eher großzügig bis am Ende der Platz zu knapp wurde und sich die Zeilen in alle Ecken verirrten. Nicht selten wurden die Karten erst zuhause aufgegeben, weil sich’s mit der Zustellung ja eh nicht ausgegangen wäre. Daheim präsentiert und später in Schuhschachteln aufgehoben, sind sie heute ein Schatz für die private Erinnerung und die kulturwissenschaftliche Forschung. Dabei gab es am Anfang in den 1870er Jahren jede Menge Bedenken wegen der öffentlichen Sichtbarkeit und wegen der Kürze, mit der der Verlust der Sprachkultur einhergehen würde. War das wirklich vor 150 Jahren?
Ginge es nach mir, wäre die Ansichtskarte bereits ausgestorben. Sie feiert jedoch ein Comeback sagen die Verlage. Seit ich im Sommer eine Karte aus Korsika von meinem jungen Kärntner Freund erhalten habe, glaube ich das auch. Ein 20-Jähriger schickt eine Ansichtskarte! Und wie damals reicht der Platz nicht aus und die letzte Zeile wandert um die Ecke und wie damals wurde die Karte in Österreich aufgegeben. Artenschutz oder Nostalgie? Als der Absender geboren wurde, waren Telefon, E-Mail und SMS in Mode. Damals zahlte man sogar noch für jedes SMS. Seit Smartphone, WhatsApp & Co leben wir im Kommunikationsparadies. Nach dem Tod meiner Eltern fand ich in ihrer Wohnung alte Ansichtskarten. So kann ich nachlesen, was ich vor einer Ewigkeit mitteilenswert fand. Die zukünftige Blog-Schreiberin ist darin nicht zu entdecken. Historische Ansichtskarten werden heute mehr denn je gesammelt. Sie sind nicht nur in Antiquitätengeschäften oder am Flohmarkt erhältlich, sondern auch auf Online-Plattformen. Meine Karten aus den 1970er Jahren werden wohl erst 2050 zum historischen Erbe zählen.
Antiquitäten Holasek, Sackstraße 34 * Die erste Karte der Welt wurde von Perg nach Kirchdorf versendet. Das Original ist im Museum für Kommunikation in Berlin aufbewahrt, das auch viel Wissenswertes rundherum präsentiert * Die Österreichische Nationalbibliothek hat 75.000 historische Ansichtskarten digitalisiert.