Wiewohl immer besonders beliebt, war Christophorus nicht immer heilig. So zwischendurch wurde ihm dieser Status aberkannt. Auf dem Fresko am Grazer Hauptplatz hat das aber keine Spuren hinterlassen.
Es stammt aus dem Jahr 1891, was praktischerweise auf dem Gemälde des Hauses Nr. 6 vermerkt ist. Zu diesem Zeitpunkt noch heilig, fiel Christophorus etwas mehr als 150 Jahre später beim 2. Vatikanischen Konzil einer Bereinigung zum Opfer. Um heiliggesprochen zu werden, ist es nämlich zweckmäßig auch wirklich gelebt zu haben. Und da gab es bei Christophorus schon lange Zweifel.
Eine Heiligsprechung ist in der römisch-katholischen Kirche Chefsache, ein Martyrium eine ziemlich gute Voraussetzung dafür. Wem das erspart geblieben ist, muss zumindest mit einem Wunder aufwarten, früher sogar mit mehreren. Dokumentiert ist alles im Martyrologium, dem Verzeichnis der Heiligen. Und daraus wurde Christophorus in den 1960er Jahren entfernt.
Märtyrer und -innen sind bekanntlich Menschen, die für ihren Glauben den Tod in Kauf nehmen. Es wird nirgends so grausam gestorben wie in den Legenden der Heiligen. Es wurde gekreuzigt, auch kopfüber (Petrus) oder mit einem X-förmigen Kreuz (Andreas), das wir heute noch von Bahnübergängen kennen, in siedendes Öl getaucht (Vitus), geröstet (Laurentius), mit Pfeilen durchbohrt (Sebastian) oder auf Räder gebunden (Katharina). Wenn der gewünschte tödliche Erfolg nicht eintrat, blieb immer noch die Enthauptung. Dass Laurentius auf seinem Grillrost zum Schutzheiligen der Köche und Bäcker avancierte, ist tragische Ironie.
Bei Christophorus ist das anders. Das Beschützen der Reisenden ist mit seinem Leben und nicht mit seinem Tod verbunden. Denn der Riese hat, gestützt auf seinen Stab, Menschen über einen gefährlichen Fluss getragen, um Gott zu dienen. Dieser ist ihm schließlich in Gestalt eines Kindes begegnet, das er über den Fluss trug und das immer schwerer und schwerer wurde. Christophorus hatte die ganze Last der Welt auf seinen Schultern. Das Kind tauchte ihn unter Wasser und taufte ihn. Zum Zeugnis dieser Taufe wuchsen aus seinem Stab immergrüne Blätter. Auch das sieht man auf dem Gemälde am Hauptplatz. Danach bekehrte Christophorus viele Menschen und starb den Märtyrertod durch Enthauptung.
Er gilt als Schutzheiliger der Fuhr- und Seeleute bzw. der Autofahrenden. Auch Heilige gehen mit der Zeit. Weil er zudem vor einem plötzlichen Tod schützen soll, gibt es ihn häufig in Großformat auf Fassaden und in Kirchen. So auch im Grazer Dom, sogar frisch renoviert. Genau gegenüber stellt sich ein Kaiser als Christophorus dar: Friedrich III, damals noch Erzherzog.
Jedenfalls weilt der echte Christophorus seit Anfang 2000 wieder unter den Heiligen. Seine historische Existenz gilt wohl durch die Weihe einer Kirche im 5. Jahrhundert in Istanbul zu seinen Ehren als gesichert.
Nach dem berühmten Schutzpatron sind die Rettungshubschrauber des ÖAMTC benannt. Am Flughafen Graz ist Christophorus 12 stationiert. Mit ihm werden weit mehr als 1000 Einsätze pro Jahr geflogen, um Menschenleben zu retten. Die Ärztinnen, Ärzte und Flugretter werden es aber trotzdem nicht in den Heiligenkalender schaffen, obwohl es manchmal echte Wunder gibt. Zum Schutz vor Unfällen sind in vielen Autos Christophorus-Plaketten angebracht, Schlüsselanhänger mit dem Motiv des Christusträgers gibt es ohne Ende. Ich bin nicht empfänglich für diese Art des Glaubens, bei mir ist es ein Lederband mit einem dezenten VW-Emblem. Hilft vielleicht auch, mein EOS hält bereits 17 Jahre durch. Und ich bin schon fast 50 Jahre ÖAMTC-Mitglied ohne gröbere Vorkommnisse.
Ist Christophorus als Heiliger nach wie vor sehr beliebt, hat der Vorname Christoph an Glanz verloren. Lag er in Österreich 1988 noch an 5. Stelle, so ist er jetzt auf Platz 97 abgerutscht. Sein Gedenktag ist der 24. Juli, aber so lange wollte ich mit der Blog-Geschichte nicht warten, womöglich ist er dann schon wieder nicht mehr heilig …
Das Foto von Christophorus 12 stammt von Michiel van Herten aus dem Photo Album von HeliRescue * Näheres zur Heiligsprechung unter www.heiligenlexikon.de/Grundlagen/Heiligsprechung_kath.htm * Der Grazer Dom: https://graz-dom.graz-seckau.at/