Wer ist die Schönste im ganzen Land

Sie bereichern auf historischen Hausfassaden unser Stadtbild: die unzähligen Marienfiguren. Bei den vielen Wettbewerben für fast alles, was es auf dieser Welt gibt, fiele die Wahl der schönsten Hausmadonna in Graz wohl besonders schwer.

 

Denn alle mehr als 100 Figuren und Reliefs sind sicher auf ihre Art schön. Obwohl es so viele und sie auch gut sichtbar sind, geht man meist achtlos an ihnen vorüber. Wer den Blick aber ein bisschen über die Schaufenstergrenze hinauf lenkt, wird reich belohnt. Die Marienfiguren sind Schutzheilige und soll(t)en die Bewohnerinnen und Bewohner beschützen und wohl nicht selten auch deren Status und natürlich Religion zur Schau stellen. Maria ist nicht nur Teil der christlichen Religionen, sie kommt auch im Koran vor und soll dort die einzige mit Namen genannte Frau sein. Als Objekt der besonderen Verehrung ist sie jedoch eindeutig katholisch. Die Grazer Hausmadonnen sind trotz unterschiedlicher künstlerischer Qualität anmutige historische Zeugnisse, auch wenn ihre Geschichte meist nicht bekannt ist und auch nicht, wer sie geschaffen hat. Sie stammen aus der Zeit der Renaissance, des Barock und der Neugotik. Wer sich auf die Suche nach diesen Kleinoden machen möchte, muss in der Innenstadt nicht weit gehen, es gibt sie mehr oder weniger überall. 

 

Die elegante Madonna auf dem oberen Bild ziert eine Fassade in der Neue-Welt-Gasse 3 auf dem Franziskanerplatz. Auf dem dreiteiligen Bild sind links eine Maria am Südtirolerplatz 5, in der Mitte eine seltene Schwarze Madonna auf dem Kapaunplatz 2 beim Franziskanerplatz und rechts eine umrankte Schöne in der Neutorgasse 29. 

 

Diese Blog-Geschichte entstand aus Anlass des dieswöchigen Marienfeiertages am 8. Dezember. Die unbefleckte Empfängnis, ein Dogma der römisch-katholischen Kirche, betrifft Maria als rein und ohne Sünde schon zum Zeitpunkt ihrer Zeugung. Sie wird auch als Immaculata bezeichnet, „die Unbefleckte“. Figuren, die diesen Beinamen tragen, zeigen Maria meist stehend ohne Kind, häufig mit einem Sternenkranz. Eine Weltkugel, um die sich eine Schlange windet findet sich manchmal zu ihren Füßen oder eine Schlange, die sie zertritt – als Zeichen der Überwindung der Sünde.

 

Maria war früher ein beliebter Vorname. Das ist aber schon lange her. Der Name scheint auf den ersten Blick bei den beliebtesten Vornamen nicht mehr auf. Lag er 1984 schon nur mehr auf Rang 17, fiel er 2020 auf Rang 43 zurück. In den letzten Jahren hat er sich jedoch mit einer kleinen Lautverschiebung kontinuierlich nach ganz oben gearbeitet. Marie lag 2020 auf dem ersten Platz und teilt ihn sich mit Jakob. 1984 waren es Daniela und Michael.

 

An modernen Hausfassaden gibt es heutzutage keine Schutzheiligen mehr. Wie es dahinter ausschaut, wissen nur die Bewohnerinnen und Bewohner. Bei mir jedenfalls steht seit Ende 2019 ein Glücksgreifer. Die Grazer Künstlerin und Unternehmensberaterin Sabine Pelzmann hat ihn geschaffen. Die Kolleginnen und Kollegen haben ihn mir zum vermeintlichen Pensionsantritt geschenkt. Dass ich danach noch ein Jahr weiterarbeiten werde, hat zu diesem Zeitpunkt niemand gewusst. Und auch nicht, dass es unser erstes Pandemie-Jahr sein sollte. Eine Feier im Jahr danach wäre ohnehin unmöglich gewesen. Wahrscheinlich war der Glücksgreifer in den letzten zwei Jahren vollauf damit beschäftigt, sich um mein Gesundbleiben zu kümmern. Ganz liebe Freunde meinen, man sähe ihm die Anstrengung recht deutlich an. Ich nenne ihn Felix. Vielleicht kriegt er das mit dem Virus ja auch noch für uns alle hin …

 

Suchtipps: Südtirolerplatz, Mariahilferstraße bis Stockergasse, Hauptplatz ost- und westseitig, Schmiedgasse usw. usw. * Die „mehr als 100“ Figuren stammen aus einem Buch unter Bezug auf das Grazer Volksblatt 1920: diglib.tugraz.at/die-barocken-kirchen-von-graz-1951 * Namensstatistik: www.baby-vornamen.de/Namensthemen/Charts/Beliebteste-Vornamen-Oesterreich-46.php * Sabine Pelzmann: www.wortbildhauerei.at