Schön für das Auge und gut für das Klima

Das sind die wunderschönen Grazer Vorgärten aus der Gründerzeit. Die kleinen Oasen sind ein grünbunter Lichtblick im Stadtbild und verdienen unsere Aufmerksamkeit mehr als bisher.

 

Die Gründerzeit so in etwa ab Mitte des 19. Jahrhunderts war eine Zeit des Aufbruchs: Die Maschinenfabrik Andritz wurde gegründet, Puch begann die Fahrradproduktion, die Graz-Köflacher Bahn nahm Fahrt auf, kommunale Einrichtungen boomten, der Grazer Stadtpark wurde errichtet, der Schlossberg begrünt. Die Stadt blühte auf, der Bedarf an Wohnungen stieg rasant an. Es wurden viele repräsentative Wohnhäuser errichtet, vor allem in den damals noch ländlichen Vororten Geidorf, Jakomini und St. Leonhard.

 

Dass das Ergebnis so einzigartig ist, ist einem genialen Zusammenspiel dreier Personen zu verdanken – dem Landesbaudirektor Martin Ritter von Kink, dem Bürgermeister Moritz Ritter von Franck und dem Experten für Vermessungswesen und Kunsthistoriker Josef Wastler. Die damalige Idee der baulichen Gestaltungsregeln trägt heute noch zur Lebensqualität in den genannten Bezirken bei. Die Wohnhäuser der Gründerzeit wurden in Blockbauweise errichtet, im Inneren mit großzügigen Grünanlagen und zur Straße hin abgegrenzt mit einem Grünstreifen. In der Zeit des Jugendstils wurden die Vorgärten noch dekorativer. 800 soll es davon geben, in einer Studie des Naturschutzbundes sind alle katalogisiert und fotografiert. Die meisten sind mit ihrer Pflanzenvielfalt ein Genuss für das Auge und die Kleintierwelt und leisten einen ökologischen Beitrag zur Klimaverbesserung. Die Vorgärten sind wie die Hausfassaden nach dem Altstadterhaltungsgesetz geschützt.  

 

Allen drei Persönlichkeiten, die für die vorbildlichen Bauregeln verantwortlich waren, ist eine Straße gewidmet. In einer davon, der Wastlergasse, ist auch die Grätzelinitiative Margaretenbad. Sie ist eine Bereicherung für den Bezirk Geidorf und bietet unglaublich viele Aktivitäten an. Die Miete des Grätzeltreffs zahlt die Stadt Graz, alles andere erfolgt ehrenamtlich. Obwohl ich schon einige Zeit im Bezirk wohne, bin ich erst seit Kurzem Mitglied. So kam ich auch zu den Vorgärten. Eine kleine Broschüre folgt ihren Spuren in Geidorf. Und wieder ist es eine beseelte Persönlichkeit, die nicht müde wird, die Vorgärten zu schützen und ins verdiente Licht zu rücken – Gertraud Prügger, ehemalige Geschäftsführerin des Naturschutzbundes, die für die Grätzelinitiative auch Führungen macht.

 

Obwohl ich erst jetzt mit der Geschichte und Bedeutung der Vorgärten in Berührung gekommen bin, hatte ich schon vorher meine leicht verwilderten Favoriten. Sie sind in der Eichendorffstraße auf der linken Seite auf dem sehr kurzen Weg von der Körösistraße zum Hasnerplatz. Ich nenne sie meine Jahreszeitenstraße. Es passt perfekt, dass Eichendorff der bedeutendste Vertreter der romantischen Dichtung ist. Ich freue mich wie früher als Kind auf die ersten Schneeglöckchen (auch wenn die meisten Frühlingsknotenblumen sind), auf die Krokusse und Narzissen, die diesmal im März noch eine Schneehaube bekommen haben, auf die Tulpen und schließlich die Pfingst- und Heckenrosen. Es stört mich fast gar nicht, dass dort auch viele Fahrräder abgestellt sind. Ich habe mit der Vorgarten-Geschichte ein bisschen gewartet, weil ich meinen Balkon bepflanzen wollte. Es sollte ein tolles Foto werden. Bisher hat es aber nur ein Mauerpfeffer dorthin geschafft und der ist schon verblüht. Daher müssen die Grätzelbroschüre und ein paar Vasenblumen zur Behübschung beitragen, farblich passend selbstverständlich. Ich glaube, ich warte die Hitzeperiode ab und nehme im Spätsommer einen neuen Anlauf …

 

Grätzelinitiative Margaretenbad www.margerl.at * Naturschutzbund Steiermark www.naturschutzbundsteiermark.at, Naturwissen, Vorgärten in Graz, im Text: zur Studie (1500 Seiten) *  Gedichte von Joseph von Eichendorff www.gedichte.ws/joseph-von-eichendorff