Schon bei seinem Anblick kann man spüren, wie es kühler wird. Man findet ihn, wenn man in der Bürgergasse 2 gegenüber vom Mausoleum durch das Tor geht. Er steht dort ziemlich einsam im größten Renaissance-Innenhof von Graz vor einer Pfütze, in der er sich spiegelt. Auch wenn in den Texten fast überall Pfütze steht, ist es in Österreich eine Lacke, wie selbst der Duden bestätigt. Wer mehr Erfrischung sucht, darf darin auch die Füße kühlen.

Bei einer Stadtführung der GrazGuides soll ein kleines Mädchen bitterlich geweint haben. Es dachte, dass der Schneemann seiner dahingeschmolzenen Schneefrau nachtrauert. Apropos Schneefrau, darf der Schneemann bleiben oder stolpert er über die Genderfrage? Ich stehe zu ihm, auch das Gendern hat Grenzen. Oder gibt es jemanden oder vielleicht eine Jemandin, der oder die eine Schneeperson ansprechender findet? Sonst ist er ja ziemlich unangreifbar, weit und breit kein politischer, rassistischer, religiöser oder sonst ein Hintergrund. Vorwerfen könnte man ihm nur, dass seine Existenz vom Schnee abhängt, wenn er nicht gerade aus weißem Marmor ist.

Der Künstler hatte naturgemäß andere Vorstellungen als Abkühlung oder Trennungsschmerz. Manfred Erjautz möchte, dass der Schneemann-Brunnen Auslöser von Gedanken über die Zeit und deren Vergänglichkeit ist. Die Skulptur stammt aus dem Jahr 2005 und nennt sich „Das Erforschen der Dauer“, beschrieben auf einer Wandtafel. Außer im Winter, wird der Schneemann „zum Fremdkörper, der den permanenten Zeitfluss vergeblich aufzuhalten versucht“. 

Gegründet als Jesuitencollegium 1573, das schon 1585 durch päpstliches und kaiserliches Dekret zur ersten steirischen Universität erhoben wurde, diente das eindrucksvolle Gebäude 200 Jahre lang der Bildung und Religion. In der wechselvollen Geschichte nach Aufhebung des Ordens war es Kaserne und Gefängnis, später auch wieder Gymnasium. Heute beherbergt es kirchliche Institutionen wie das Priesterseminar und das Diözesanmuseum. Der Renaissancehof aus der Entstehungszeit umfasst 1300 m². Im Inneren des Gebäudes gibt es einige Highlights aus der Zeit des Barock wie die Prunkstiege mit viel Stuck und Bildern.

In früheren Zeiten dürfte der Schneemann ein grimmiges Sinnbild für den gefürchteten Winter gewesen sein. Erstmals als Begriff tauchte er 1770 in einem deutschen Kinderliederbuch auf. Im 19. Jahrhundert legte der Winter dann sein entbehrungsreiches Image ab. Damit begann der Siegeszug des Schneemanns als Symbol winterlicher Freuden. Es gibt sogar einen Welttag des Schneemanns am 18. Jänner. Initiiert hat ihn Cornelius Grätz, der in Reutlingen in Baden-Württemberg eine riesige Schneemann-Sammlung besitzt. Vielleicht kommen seine Vorfahren aus Graz, es hieß ja früher Grätz.

Meine persönliche Beziehung zum Schneemann ist nur in ganz vagen Kindheitserinnerungen abgespeichert. Daher gebe ich hier noch einen anderen Tipp zur Abkühlung - einen einfachen und erfrischenden Sommerdrink: Himbeer-Soda mit Zitroneneis. Ein bisschen Himbeersirup, ein bisschen Zitronensaft, Sodawasser oder Mineralwasser dazu, Zitroneneis hinein. Wer mag, kann auch noch Himbeereis dazunehmen. Auch fein: gekühlte Wassermelonen. Schön, dass es Sommer ist. Denn so kommt auch die Märchenzeit im Innenhof des Priesterseminars bald wieder. Dort, wo der Schneemann steht, wird diesmal „Peter Pan und Tinkerbell“ aufgeführt. Ein Abenteuer mit Musik für Jung und Alt ab 29. Juli. Ich muss jetzt nur noch meine beiden entzückenden Wahlenkelkinder, 6 und 8, dazu überreden, dass sie mit mir hingehen …

Viele spannende Führungen: grazguides.at – am besten den Newsletter abonnieren * Mehr zu Manfred Erjautz in der Blog-Denkreise Straßenlaternen in neuer Funktion * Das Priesterseminar: priesterseminar.graz-seckau.at * Cornelius Grätz unter schneemannsammlung.de * Informationen zum Märchensommer im Hof des Priesterseminars: maerchensommer.at