Rechts oder links einmal nicht ideologisch

Bei der Frage auf welcher Seite man auf einem kombinierten Geh- und Radweg fußwandeln soll, scheiden sich die Geister. Das ist auf dem Murradweg gut zu beobachten. Die gesetzlichen Regelungen erlauben vieles.

 

Auf manchen Wegen tummeln sich Menschen auf Rädern, Scootern, Skateboards und Inlineskates und solche zu Fuß, die gehen, laufen, walken, den Kinderwagen schieben oder den Hund ausführen. So auch auf dem Murradweg am Schwimmschulkai. Es gibt hier keine Trennung der Fläche, es gilt das freie Spiel der Kräfte, zumindest fast. Tafeln und Bodenmarkierungen weisen darauf hin, dass eine gemeinsame Nutzung nur mit Rücksichtnahme funktioniert.

 

Aber wie ist eigentlich die gesetzliche Lage? Für Radfahrer gilt eindeutig das Rechtsfahrgebot. So festgelegt im Paragraf 7 der Straßenverkehrsordnung. Radfahrerinnen und jene, die mit einem Scooter unterwegs sind, sind den Radfahrern gleichgestellt. Sie alle dürfen zudem auf Geh- und Radwegen Menschen, die zu Fuß gehen, nicht gefährden. Das wiederum steht im Paragraf 68. Aber wie ist es mit den anderen? Vereinfacht gesagt, dürfen sie alles. 

 

Fußgängerinnen und Fußgänger können links oder rechts und eigentlich auch in der Mitte gehen. An einer Stelle im Gesetz heißt es allerdings, sie sollen rechts ausweichen und links vorbeigehen. Das ist auf der rechten Seite eindeutig besser zu bewerkstelligen. Übrigens ist im Ortsgebiet ebenfalls links oder rechts gehen erlaubt,  wenn es keinen Gehsteig gibt. Auf Freilandstraßen ist die linke Seite vorgeschrieben.

 

Und dann gibt es noch den Vertrauensgrundsatz im Paragraf 3. Dort wird Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme eingefordert und festgelegt, dass alle darauf vertrauen können, dass Rechtsvorschriften eingehalten werden. Ausnahmen gibt es nur bei Kindern und eingeschränkten Personen oder solchen, die sich auffällig verhalten. 

 

Die Straßenverkehrsordnung entstand im Jahr 1960. Damals war Julius Raab Bundeskanzler einer ÖVP-SPÖ-Koalition, John F. Kennedy siegte bei der Wahl, 18 afrikanische Kolonien erlangten die Unabhängigkeit, VW wurde privatisiert und die Beatles traten das erste Mal auf. Mittlerweile gibt es 75 Anpassungen.

 

„Links gehen, Gefahr sehen“, dieser Spruch aus meiner Generation ist möglicherweise schon Geschichte. Ich habe ihn noch total verinnerlicht, trotzdem gehe ich auf der besagten kombinierten Fläche rechts. Es fühlt sich einfach besser an, sich im gemeinsamen Verkehrsfluss zu bewegen. Vielleicht auch deshalb, weil die meisten anderen auch rechts gehen. Der Prozentsatz liegt nach meinen wissenschaftlich nicht ganz perfekt abgesicherten Studien bei ca. 70 Prozent. Manchmal, wenn auch selten, gibt es auf der einen oder anderen Seite verständnisloses Kopfschütteln. Im Freundeskreis ist darüber eine veritable Diskussion entstanden. Und so habe ich bei der Abteilung Verkehrsplanung der Stadt Graz angefragt, wie das denn so ist. Die gesetzliche Lage wurde mir wie beschrieben geschildert. Das Besondere an der Antwort war nicht nur die unglaublich rasche und ausführliche Erledigung, sondern auch die mitschwingende Botschaft. Die Verkehrsplanung hofft auf ein gedeihliches Miteinander, die Rücksichtnahme aufeinander nennt sie eine Herzensangelegenheit.

 

Der Murradweg ist meine zweite Heimat geworden, seit ich in die Körösistraße gezogen und zum Fußgängertum konvertiert bin. Oder zumindest ein kleines Stück davon, denn insgesamt ist er so um die 475 km lang, in der Steiermark sind es ca. 300 km, in Graz rund 15. Beschrieben wird er als einer der schönsten Flussradwege im Alpenraum. Ich könnte ihn auch zu Fuß erwandern, jetzt wo ich weiß, dass ich doch irgendwie rechts im Recht bin …

 

Straßenverkehrsordnung Österreich eingeben und bei www.ris.bka.gv.at zuschlagen * Was im Jahr 1960 los war, gibt es auf de.wikipedia.org/wiki/1960 * Genaueres zum Murradweg unter www.steiermark.com/de/murradweg